Kill Decision
die der Eliminierung bestimmter Personen dienen. Das hier ist die neue Form der Kriegführung, Professor, und wir haben es mit einem technisch hochversierten Gegner zu tun. Jemandem, der verborgen bleiben will – und der glaubt, dass Sie zu viel über seine Systeme wissen.»
Wieder starrte sie ihn nur sprachlos an.
Er blickte mit undeutbarer Miene zurück.
Schließlich nickte sie bitter. «Haben Sie wirklich geglaubt, wir könnten einfach in anderen Weltgegenden Menschen aus der Luft mit Raketen töten, ohne dass es uns irgendwann heimgezahlt wird? Sie haben gegen internationales Recht verstoßen, und jetzt tun Sie erstaunt, wenn –»
«Wie dem auch sei –»
«Ich weiß es zu schätzen, dass Sie mich gerettet haben, aber ich will nicht hineingezogen werden in Ihre … Ihren Krieg oder was es auch ist. Ich betreibe Grundlagenforschung an der Natur.»
Er wurde ernst. «Ich bitte Sie von Mensch zu Mensch um Ihre Hilfe.»
«Ich habe aus gutem Grund alle militärischen Forschungsmittel abgelehnt. Ich will nichts mit diesem ‹permanenten Krieg› zu tun haben, von dem Sie und Ihresgleichen leben. Wir sollten ins Bildungs- und Gesundheitswesen investieren, nicht in den Krieg.»
Er blätterte in dem Ordner. «Sie unterstützen Menschenrechtsgruppen und Antikriegsorganisationen.»
«Und das macht mich für Sie wohl zu einer Art Verräterin.»
«Nein. Es macht mir Hoffnung, dass Sie uns helfen werden.»
«Das ist doch absurd.»
«Nein, ist es nicht.» Er beugte sich zu ihr. «Wir haben Grund zu der Annahme, dass diese feindlichen Drohnen ein Softwaremodell benutzen, das auf dem Verhalten von Weberameisen basiert. Ein Modell, das Sie entwickelt haben.»
Sie fühlte, wie Adrenalin durch ihren Körper schoss. «Mein Gott …»
Er blätterte ihr jetzt Farbfotos auf den Schoß. Bilder von verkohlten und zerfetzten Leichen, Verstümmelten und Verletzten an Anschlagsorten – darunter auch Kinder. «Dutzende unschuldiger Menschen sind umgekommen. Politiker, Wissenschaftler, Menschenrechtsaktivisten, Manager, Studenten. Jemand hat Amerikas Abwehreinrichtungen unterlaufen, um diese Personen zu töten. Und es sterben jede Woche weitere. Sie müssen mir sagen, wie man das stoppen kann.»
Sie blickte entsetzt auf die Fotos und suchte nach irgendeiner Antwort. «Aber ich … ich habe keine Ahnung, wie meine Ergebnisse dazu –»
«Sagen Sie mir, warum jemand eine Maschine ausgerechnet mit den Denkmechanismen von Weberameisen ausstatten wollen könnte. Was ist an denen so Besonderes? Warum Weberameisen?»
Ihr war übel und zum Heulen, als sie auf das Foto von einem toten Kind sah. In der Nähe lag ein verbogener, verbrannter Kinderwagen. «Weil die Weberameise höchstwahrscheinlich die kriegerischste Kreatur auf dieser Welt ist.»
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8
Im Einsatz verschollen
Chet Warner hatte nicht das geringste Verlangen, mit der pakistanischen Armee irgendwohin zu fahren, schon gar nicht in die dichtbevölkerten Slums von Liari. Das war, als ob man sich während der Jagdsaison für eine Waldwanderung als Hirsch verkleidete.
Liari, einer der achtzehn Stadtbezirke von Karatschi, war ein Gewirr von Gassen, kaputten Straßen und heruntergekommenen Gebäuden am Hafen im Westen der Stadt. Trotz all der Taliban-Sympathisanten, islamischen Fundamentalisten und geordneten Militärviertel Karatschis wurde Liari von Rauschgifthändler-Gangs mit Maschinenpistolen und Panzerfäusten kontrolliert; nicht mal die Polizei wagte sich hierher. Mit der Armee hinzufahren schien nicht viel klüger, da der Hauptunterschied zwischen Polizei und Armee die Farbe der Panzerfahrzeuge war. Warner hätte nie auch nur daran gedacht, sich dorthin zu begeben, wenn ihm nicht Oberst Kayani persönlich versichert hätte, dass die CIA-Zentrale in Langley erfreut sein würde.
Warner warf einen Blick auf den prächtig uniformierten Oberst der pakistanischen Streitkräfte, der ihm in dem engen BRDM-2-Schützenpanzerwagen gegenübersaß. Kayani rechnete offensichtlich mit einem Fototermin, denn sonst hatte er sich nie so herausgeputzt. Warner war schon wohler zumute.
Er versuchte, sich von seinem chronisch nervösen Gedärm abzulenken, indem er durch den kugelsicheren seitlichen Sichtblock spähte. Der Konvoi rollte die Liari-Stadtautobahn entlang, die dem gleichnamigen Fluss folgte. Der Fluss war nur ein mehrere hundert Meter breites staubiges Niemandsland, längsgeteilt durch einen schmalen Kanal mit ungeklärtem Fäkalienschlamm und nach
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