Kill Decision
Zivilverkehr gesperrt worden. So viel zum Überraschungsmoment …
Ein paar Minuten später bremste das Fahrzeug wieder ab und bog rechts ein, in eine enge Gasse. Warner sah durch den Sichtblock nur noch vorbeigleitendes Mauerwerk. Das harte Kloink eines Ladenschilds, das erwischt und weggebogen wurde, als sie an einer Ladenfront vorbeirollten. Ansonsten hörte er nur Sirenen, Autohupen und das Dröhnen des Dieselmotors ihres BRDM. Sie waren praktisch blind. Wenn sie jetzt jemand angriff, würden sie es nicht mal kommen sehen.
Aber es passierte nichts, und gleich darauf hielt das Fahrzeug.
Kayani klopfte Warner auf die Schulter. «Wir sind da, mein Freund. Ich habe etwas ganz Besonderes für Sie.»
Ein Soldat öffnete die schwere Ausstiegstür, und statt frischer Luft drang der vertraute Dritte-Welt-Geruch herein – Rauch, verrottender Müll und Abwasser. Nach diesem Geruch würde sich Warner nicht zurücksehnen. Wenn er doch nur jung gewesen wäre, als 9/11 passierte. Was hätte er dann für eine Karriere machen können! All diese jungen Burschen hier draußen mit ihrem Hightech-Equipment. Die Kontraktleute mit ihren Spesenkonten und liberalen Einsatzregeln. Aber Beziehungspflege zahlte sich nach wie vor aus. Einige Vorteile hatte er diesen IT-Wizards gegenüber immer noch.
Kayani winkte Warner mit sich, durch ein Spalier von besorgt dreinblickenden Soldaten, die G3-Sturmgewehre auf die oberen Stockwerke der umliegenden Gebäude gerichtet hielten. Dennoch lugten Hunderte neugieriger Gesichter über Fenstersimse auf sie herab. Flüsterten miteinander.
Warner duckte sich und hoffte, dass die Bräune vom jahrelangen Hochseeangeln seine Nationalität kaschieren würde, bis er in Deckung war. Aber inzwischen musste offensichtlich sein, dass er irgendein VIP war. Er sah Kayani durch das Wellblechtor eines Lagerhauses oder einer Werkstatt treten. Es war eine ziemliche Bruchbude; vor dem Eingang lag Müll herum. Drinnen musste sich Warner zwischen staubbedeckten, rostigen alten Bedford-Lastwagen durchzwängen. Ihre absurd-prächtige Bemalung war zum Teil noch intakt, aber ihre Eingeweide waren ausgeschlachtet. Hier überlagerte der Geruch von Öl und faulendem Holz den Abwassergestank.
Gleich hinter den Lastwagen war ein zweiter Durchgang, eine Tür innerhalb eines weiteren großen Tors. Dort stand Kayani strahlend neben einem halben Dutzend Soldaten. Hinter der Türöffnung sah Warner helle Arbeitsleuchten.
«Hier entlang …» Kayani trat durch die Tür, und Warner folgte ihm. Er fand sich in einer überraschend großen Werkstatthalle – fünfzehn bis zwanzig Meter lang und fast ebenso breit, mit einer hohen Decke, von der Windenketten und Seile herabhingen. Was ihn wie angewurzelt stehen bleiben ließ, war der Umstand, dass die ganze Halle voller Wrackteile und Komponenten war, die von amerikanischen Drohnen zu stammen schienen. Tragflächen mit amerikanischer Kennzeichnung lehnten an der gegenüberliegenden Wand. Da waren ganze Drohnenpartien, Rumpfstücke und elektrische und optische Elemente, auf massiven Holztischen ausgelegt und mit durchsichtigen Plastikplanen abgedeckt.
«Heilige Mutter …»
Warner ging die Tische entlang, vorbei an Oszilloskopen, Lötkolben und ähnlichen Gerätschaften auf einem halben Dutzend Werkbänken. Beschädigte Rumpfpartien befanden sich in verschiedenen Stadien der Demontage; die Komponenten lagen säuberlich aufgereiht da wie die Resultate einer technischen Obduktion. Schreibblöcke mit handschriftlichen Notizen in Arabisch – nicht Urdu oder Paschtu, sondern Arabisch – und schnell hingeworfenen Zeichnungen gleich daneben. Er klappte eine Plane weg und sah die Heckpartie einer MQ-1 Predator, die schräg abwärts gerichteten Heckflossen und der Propeller vom Aufschlag verbogen. Er strich mit den Händen über das Bodenstrompanel seitlich am Rumpf, wischte Dreck und Staub weg. Angesichts der politischen Wellen, die das hier schlagen würde, musste er sicher sein, dass es echt war – ganz sicher.
Er untersuchte das Panel. Da war der Abwurffreigabeschalter, noch immer auf Scharf-Stellung. Akku-Aus-Knopf, Manueller-Triebwerksstart-Schalter, Bodenstrom. Er zog die Plane noch weiter zurück, und zum Vorschein kam die Bugpartie derselben oder auch einer anderen MQ-1: der Rumpf zerquetscht, dazu Dreck und Aststücke, die das Ganze noch verkomplizierten. Er versuchte, sich zu orientieren, tippte mit dem Finger auf jedes Element, das er fand: die SAR-Antenne, eine
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