Kill Decision
extrem wenige Clustering-Anomalien für diese Tageszeit. Und das gilt so ziemlich für alle größeren Ballungsräume. Die Anomalien sind um sechs Prozent zurückgegangen, seit die Nachricht von der Drohnenwerkstatt in Karatschi im Netz ist, und der Trend ist weiter rückläufig. Wenn Leute protestieren, dann nicht auf der Straße.» Er umfuhr über dem Display einige wenige Punktecluster. «Ein paar potenzielle Protestzellen in Portland und Austin, aber bei den ablehnungsbezogenen Tagcloud-Gruppierungen in den sozialen Medien sind wir innerhalb der Drei-Sigma-Regel – sprich, rund achtundsechzig Prozent der Werte liegen innerhalb einer Standardabweichung vom Mittelwert.» Clarke schaute aus dem Fenster auf die Demonstranten auf dem McPherson Square. «Heißt, es ist alles normal. Wegen denen da würde ich mir keine Gedanken machen – sie sind nicht die Realität. Nur ein statistischer Ausreißer.»
Sie starrte ebenfalls hinab, wenig überzeugt. «Sie sind der Social-Media-Director. Es ist Ihr Job, diesen Quatsch einzudämmen, und jetzt habe ich hier eine Countermessaging-Kampagne in meinem eigenen Vorgarten.»
«Wenn es Sie beruhigt, machen Sie’s auf die altmodische Art – lassen Sie jemanden am Bahnhof ein paar Drogensüchtige anheuern, damit sie sich unter die Demonstranten mischen. Ein paar dreckige, beängstigende Typen, die im Fernsehen herumschwadronieren. Das verkehrt die Botschaft ins Gegenteil – für eine gewisse Rentnerpopulation. Oder ignorieren Sie’s einfach. Was auf der Straße passiert, zählt nicht mehr.»
Marta blickte immer noch finster hinab. «Haben diese Leute denn keine Jobs?»
«Offenbar nicht. Wozu einige Ihrer Klienten beigetragen haben dürften.»
Sie sah ihn an, knurrte ärgerlich und ging dann an ihren großen Schreibtisch zurück. «Werden Sie nicht überheblich, Henry. Sie und Ihre Sockenpuppenarmee sind auch nur ein Werkzeug. Die Grundprinzipien der Public-Relations-Arbeit ändern sich nie.»
Er steckte sein iPad wieder in die Tasche. «Mag sein, aber Sie hatten noch nie so präzise Werte wie jetzt durch mich. Ich kann Ihnen in jedem Moment sagen, wie Ihre Botschaft nicht nur bei einer nationalen, sondern sogar bei einer internationalen Öffentlichkeit ankommt.»
«Einem Teil der Öffentlichkeit, Henry. Nur einem Teil.»
«Dem Teil, der zählt, Marta.»
«Ich weiß nicht mehr, ob ich in Ihrem Alter auch so wichtigtuerisch war, aber ich weiß, dass ich durch Reden nie etwas gelernt habe.»
«Tja, das ist einer der Vorteile sozialer Medien. Wir können das Reden automatisieren.» Er zog den Reißverschluss seiner Ledertasche zu und warf sie aufs Sofa. «Wie läuft’s denn für Sie auf dem Hill?»
«Im Bewilligungsausschuss kommt die Vorlage glatt durch, aber im Geheimdienstausschuss hängt sie fest. Eine Kongressabgeordnete aus Ohio oder weiß der Teufel woher, mit Gewissensbedenken gegen die Automatisierung des Krieges. Als ob die Chinesen oder Iraner da irgendwelche Gewissensbedenken hätten.»
«Wenn sie sich schon mal öffentlich dagegen ausgesprochen hat, besitzt unser Oppositionsbeobachtungsteam sicher eine Akte über sie. Sollen wir sie uns vornehmen?»
«Noch nicht. Wir versuchen es erst mal über Hintergrundkanäle. Aber wenn ich die Geheimdienstausschüsse nicht kriege, wende ich mich direkt an die Öffentlichkeit. Also bringen Sie Ihre Leute in Stellung. Wenn ich die Arbeitnehmer davon überzeugen kann, dass Unternehmensbesteuerung das Land ins Verderben stürzt, dann kann ich auch autonome Waffen durchbringen. Und wenn wir die Produktion auf fünfunddreißig oder vierzig Staaten verteilen müssen.»
«Ein paar tausend Jobs werden nicht genügen. Die Leute wollen wissen, was es ihnen bringt.»
«Dass autonome Systeme – und nur diese – in der Lage sein werden, die Terroranschläge hier in den USA zu stoppen. Das Verteidigungsministerium ertrinkt bereits in Überwachungsvideos. Und dann die begrenzte Satellitenbandbreite: Sie hindert uns daran, zehntausend Drohnen über Zentralasien und Nahost einzusetzen – allein das JSOC schmeißt jeden Monat hundert Millionen Dollar für kommerzielle Satellitenbandbreite aus dem Fenster. Die verfügbaren Kapazitäten sind ausgeschöpft, und es muss schnell etwas passieren. Das heißt, autonome Drohnen sind alternativlos. Und natürlich sind da immer und grundsätzlich die amerikanischen Menschenleben, die es zu retten gilt.»
Clarke zuckte mit den Achseln. «Das klingt alles so kompliziert. Und dass die Leute
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