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Kill Decision

Kill Decision

Titel: Kill Decision Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Suarez
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Beutetieren. Wolfsrudel folgen einem Raben und lassen ihn dafür von ihrer Beute fressen. Genauso haben Raben den Urmenschen geholfen, Jagdwild zu finden, und sie helfen bis heute den Inuit dabei. Was ich als Junge erlebt habe, läuft schon seit Urzeiten so ab. Raben sind auch von jeher mit den Menschen in den Krieg gezogen – um sich von den Toten zu ernähren. Die Wikinger haben sie verehrt und in ihren Bannern geführt. In allen menschlichen Kulturen der Geschichte nehmen Raben eine besondere Stellung ein. Sie sind mystisch, schelmisch, gut oder böse, aber nie einfach nur Vögel. Die Raben beobachten uns schon so lange, dass sie uns verstehen. Aber eine falsche Interpretation unseres Verhaltens, und es wird die letzte sein. Mit Raubtieren zusammenzuarbeiten ist ein gefährliches Spiel.»
    Sie nickte. «Deshalb müssen sie intelligent sein. Und die Kooperation hilft beiden Spezies zu überleben.»
    «Richtig.»
    McKinney blickte empor: Vor dem Mondlicht segelnde Silhouetten wachten über sie. «Und Sie glauben, die Raben erleben das wirklich als eine bewusste Beziehung?»
    «Ich bin fest davon überzeugt. Sie können komplexe Aufgaben ohne praktisches Experimentieren lösen, um an Fressen zu kommen. Sie benutzen ihr großes Gehirn, um die Wirklichkeit zu konzeptualisieren, sich Szenarien vorzustellen und den wahrscheinlichen Ausgang zu berechnen. Kein anderes Wesen außer dem Menschen kann das.»
    «Ich muss sagen, Sie überraschen mich, Sergeant.» McKinney sah in seine mondlichtglänzenden Augen. «Wie wird ein Mann wie Sie ausgerechnet Elitesoldat?»
    Er dachte über die Frage nach. «Ich kenne Ihre Meinung über das Militär, Professor, aber solange die Menschheit nicht irgendwelche überraschenden Fortschritte macht, ist die implizite Androhung von Gewalt das Einzige, was die Zivilisation zusammenhält.»
    «Das ist eine ganz schön pessimistische Sicht.»
    «Was glauben Sie, woraus politische Macht entsteht?»
    «Legitime politische Macht leitet sich von der Einwilligung der Regierten her.»
    «Ach, Haarspalterei. Macht ist Macht.» Er blickte sich zu ihr um. «Wenn wir ehrlich sind, leitet sich Macht nur von einem her: physischer Stärke.»
    «Da bin ich vollkommen anderer Meinung.»
    Er blieb kurz stehen, suchte Landschaft und Himmel mit dem Nachtsichtglas ab. «Wie heißt es noch mal? ‹Dass zur Versicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingeführt worden sind, welche ihre gerechte Gewalt von der Einwilligung der Regierten herleiten.›»
    «Ja, genau. Ich bin froh, dass Sie als Soldat das kennen.»
    «Und wenn nun eine Regierung nicht auf den Willen ihres Volkes hört? Oder ein Bürger sich nicht an die Gesetze seiner Regierung hält? Was dann?»
    «Das bedeutet nicht notwendig Gewalt.»
    Er nickte. «Deshalb funktioniert die menschliche Gesellschaft ja meistens: Die Leute wollen keinen Ärger. Aber hinter jedem Gesetz steht die implizite Androhung von Gewalt, und hinter jeder Wählerstimme steht die Androhung von Rebellion. Das ist der Deal, der eine freie Gesellschaft zusammenhält. Und eine Gesellschaft mit einem großen Machtungleichgewicht wird nicht lange frei bleiben.»
    Er winkte sie weiter, und gleich darauf liefen sie in großen Sätzen einen steinigen Abhang hinab.
    McKinney kaute immer noch an seiner Behauptung. «Ich bin nicht davon überzeugt, dass Gewalt der Kitt ist, der uns zusammenhält, Sergeant.»
    «Ich spreche nicht von Gewalt – ich spreche von der impliziten Androhung von Gewalt. Überlegen Sie doch mal: Die Demokratie ist ja überhaupt erst entstanden, als die Fähigkeit zur Gewaltausübung dezentralisiert wurde. Im Mittelalter war das höchstentwickelte Waffensystem der gepanzerte Ritter. Ihn auszubilden, auszurüsten und zu unterhalten kostete ein Vermögen. Aber ein gepanzerter Ritter konnte auf dem Schlachtfeld jede Menge Bauern besiegen. Und die Verteilung der politischen Macht in der mittelalterlichen Gesellschaft spiegelte das wider: Die Macht lag bei einer winzigen Minderheit, und die Leute hatten keine andere Wahl, als zu gehorchen.
    Aber das alles änderte sich mit dem Aufkommen des Schießpulvers. Plötzlich brauchte man keinen aufwendig ausgebildeten Kampfspezialisten mehr, um auf dem Schlachtfeld zu siegen. Man brauchte nur noch irgendjemanden, der ein Gewehr abfeuern konnte. Alles, worauf man zielen konnte, konnte man töten. Und von da an war im Krieg nicht mehr derjenige mit den hochspezialisierten Kriegern im Vorteil, sondern die Seite, die die

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