Kill Order
Zigarettenrest auf dem Fensterblech aus. „Deshalb war es für ihn auch leicht, uns außer Landes zu bringen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie viel Macht diese Leute haben. Nachdem wir erst einmal aus Megiddo raus waren und Francesco seine Freunde anrufen konnte, war es ein Kinderspiel.“
Sie sah, wie sich eine Falte zwischen seinen Augenbrauen bildete. Wahrscheinlich rang er mit sich, wie viel er ihr erzählen sollte. Am liebsten hätte sie ihm gesagt, wie lächerlich das war. Als ob diese alten Geschichten noch eine Rolle spielten. Und selbst wenn sich eine verwertbare Information darin fand, sie hatte im Moment andere Sorgen, als einer erkalteten Spur nachzujagen, die aus einem fremden Leben stammte. „Wohin haben sie euch gebracht?“, fragte sie. „Nach Europa?“
„Zuerst nach Italien. Dann überredete Gregor mich, ihn nach Hause zu begleiten, nach Moskau. Das war 1994. Alles war möglich, wenn man mutig genug war, sein Glück in die eigene Hand zu nehmen. Gregor stellte mich ein paar Freunden vor. Ich schlief bei ihm auf dem Sofa, aber das konnte nicht ewig so gehen. Ich brauchte Geld.“
„Klar.“ Sie fröstelte. Die Luft wurde allmählich kalt.
Er schlug das Fenster zu. „Also habe ich eine Liste gemacht.“
„Ich kann mir schon denken, was dabei heraus kam.“
Er schaute auf und sah sie an. Ein Lächeln spielte um seine Mundwinkel. Sie fühlte sich seltsam linkisch unter seinem Blick, als hätte sie etwas Unpassendes gesagt.
„Kein Beruf, kein Studium“, sagte er. „Dafür die Fähigkeiten, die man sich als Guerillakämpfer erwirbt, auch wenn es nur zwei Jahre waren. Und die Zeit im Gefängnis. Da lernt man auch die eine oder andere Sache. Diese Vorbildung prädestiniert dich für eine Reihe einschlägiger Jobs.“
„Zum Beispiel als Killer.“ Sie hätte sich am liebsten selbst geohrfeigt, als sie sah, wie sich seine Miene verschloss.
„Egal.“ Seine Stimme nahm einen abweisenden Ton an. „Jedenfalls stellte mich Gregor einem Geschäftsmann namens Viktor Kusowjenko vor. Sagt dir der Name was?“
Sie schüttelte den Kopf. „Nik, es tut mir leid. Ich wollte das nicht sagen. Es war nicht so gemeint.“
„Natürlich war es das“, erwiderte er hart. „Ich habe es auch nie bestritten. Sonst wären wir jetzt nicht hier.“
„Ich meine nur ...“
„Wir müssen das nicht vertiefen“, unterbrach er sie. „Viktor hatte alle möglichen Geschäfte laufen. Damals besaß er einen Club und zwei Autohäuser. Frag nicht, wo die Autos herkamen. Und er handelte mit Waffen. Die guten aus der Roten Armee.“
„Die, mit denen sich auch Gregor versucht hat.“
„Genau.“ Sein Gesichtsausdruck blieb undeutbar. „Ich fing als Rausschmeißer in seinem Club an.“
„Aber du hast Karriere gemacht.“ Sie versuchte ein spöttisches Lächeln, einen leichten Tonfall. Er stieg nicht darauf ein.
„Ich spreche ein paar Sprachen. Victor träumte von blühenden Geschäften im Nahen Osten. Er brauchte einen Dolmetscher. Wir trafen verschiedene Geschäftsleute. Unsere Kontakte hatten großes Interesse an sowjetischer Armeeausrüstung, es blieb nur die Frage zu klären, wie die Ware transportiert werden sollte. Aber wir hatten ja immer noch die Verbindung zu Francesco und seinen undurchsichtigen Vettern in Kalabrien. Die wollten sich gerne an den Geschäften beteiligen, und im Gegenzug organisierten sie einen Abschnitt der Transportstrecke. So fing das Ganze an.“
„Und wenn man mal drinsteckt, dann kommt eins zum anderen.“
„Alles entwickelte sich prächtig, aber irgendwann tauchte ein tschechischer Waffenhändler auf, der uns aus dem Geschäft drängen wollte. Er hat viel Ärger gemacht und wir mussten etwas unternehmen. Jemand musste ihn aus dem Weg räumen. Das war ein Wendepunkt. Du tust etwas, und plötzlich findest du dich auf einem anderen Level. Du erreichst eine neue Toleranzschwelle für dich. Beim zweiten Mal ist es schon leichter, weil du weißt, was dich erwartet.“ Er rieb sich über die Stirn und schloss die Augen, öffnete sie wieder. „Mit der Zeit wurde es ein lukratives Geschäft. Viktor vermittelte die Jobs. Manchmal nannte er mir die Namen der Auftraggeber, manchmal nicht. Um ehrlich zu sein, ich wollte es auch gar nicht wissen.“
„Hast du auch Unschuldige erschossen?“
Seine Augen wurden schmal. „Wer ist schon unschuldig? Wie definierst du Unschuld?“
„Vergiss es“, sagte sie unbehaglich. „Vergiss einfach die Frage.“ Sie fixierte die
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