Kill Order
Regenschlieren, die das Fensterglas hinunter liefen. „Was war mit Rosenfeldt?“
„Der Auftraggeber wollte anonym bleiben. Er hat sehr gut bezahlt. Sie wollten, dass ich den Senator während seiner Rede erschieße, wegen der Symbolwirkung. Außerdem, und das war ungewöhnlich, sollte es so aussehen, als ob die PLO dahinter steckte. Ich musste ein paar Spuren legen.“ Seine Augen verengten sich zu einem freudlosen Lächeln. „Da steckte mehr dahinter als einfach nur jemand, der eine Rechnung mit Rosenfeldt zu begleichen hatte.“
„Aber dann ...“
„... gingen ein paar Dinge schief. Der ursprüngliche Plan funktionierte nicht. Ich konnte nicht auf die Vernissage warten, ich musste es vorher erledigen. Rosenfeldt hatte am Vormittag vor der Feier ein Treffen mit dem Direktor des Jüdischen Museums. Das war die einzige Gelegenheit. Danach herrschte Chaos. Ich hatte keine Schwierigkeiten, das Museum zu verlassen." Er hielt inne. „Wenn ich dir das alles erzähle, müsste ich dich anschließend erschießen, meinst du nicht?“
Sie lächelte schief.
„Du hast recht, ich würde es sowieso nicht tun. Jetzt nicht mehr.“
„Ich bin geschmeichelt.“
„Danach ging alles schief“, fuhr er fort. „Eine Verkettung unglücklicher Umstände. Meine Tarnung flog auf und ich musste verschwinden. Eine Zeitlang hatte ich das Gefühl, die ganze Welt wäre mir auf den Fersen. Natürlich waren die Polizeibehörden hinter mir her. Und die CIA, aber die mussten vorsichtig sein. In Europa können die sich nicht benehmen wie die Axt im Walde. Und irgendwann kam es mir auch so vor, als wenn meine eigenen Leute mich loswerden wollten. Viktor ...“ Er stockte eine Sekunde. „Oder jedenfalls glaube ich, dass es Viktor war. Er schickte mir ein paar Killer, als ich ihn um Hilfe bat. Danach hielt ich es für das Beste, komplett unterzutauchen und aus der ganzen Sache auszusteigen. Ich hatte genug Geld, und eine Reserveidentität für alle Fälle.“
„Also hast du dir das Haus in Hawqa gekauft.“
„Der Plan scheint trotzdem aufgegangen zu sein. Die Schuld für das Rosenfeldt-Attentat wurde den Palästinensern in die Schuhe geschoben.“
Sie stützte den Kopf auf die Handflächen. „Es ging um Politik?“
„Ja, sicher.“ Er nahm die Kaffeekanne und schenkte sich nach. „Ich glaube, das Attentat auf Rosenfeldt war als Störfeuer gedacht. Jemand wollte die Flammen anfachen. Ein halbes Jahr vorher fand der Gipfel in Camp David statt, um den Friedensprozess wieder in Gang zu setzen. Bill Clinton, Ehud Barak und Yasser Arafat saßen an einem Tisch. Sie trafen zwar kein Übereinkommen, aber damit war das Thema ja nicht gestorben. Den ganzen Herbst über führten sie die Gespräche weiter. Sie wollten unbedingt einen Kompromiss erreichen, der für beide Seiten akzeptabel war. Und Barak machte für israelische Verhältnisse große Zugeständnisse.“
„Ich weiß“, sagte sie. „Am Ende war es sein Untergang.“
„Eine Zeitlang sah es so aus, als könnten sie einen Konsens finden. Ende Dezember fassten die Amerikaner die Eckpunkte der Verhandlungen in einem neuen Vorschlag zusammen und fragten beide Parteien, ob sie sich darauf einigen könnten. Israel schickte seine Zustimmung nach drei Tagen. Sie wären bereit gewesen, fast hundert Prozent der besetzten Gebiete zurückzugeben. Sie waren damit einverstanden, Jerusalem zu teilen. Das war ein phantastisches Angebot.“
„Die Palästinenser haben das anders gesehen.“
„Ja, aber das spielt hier keine Rolle. Tatsache ist, dass die Rechtspopulisten in Israel Panik bekommen haben, dass es diesmal keine heiße Luft ist. Sie konnten ja nicht wissen, dass Arafat ihnen ins Gesicht lachen würde. Sie wussten nur, dass im Januar in Taba eine Konferenz angesetzt war, bei der das Papier verhandelt werden sollte. Und die Wahlen standen vor der Tür. Der perfekte Augenblick, um die Runde zu sprengen.“
„Mit einem öffentlichkeitswirksamen Anschlag, und einer Schokoladenspur zur PLO als Schuldigem“, führte Carmen die Theorie zu Ende. „Die ihren Willen zum Verhandeln ad absurdum führt. Wenn das wahr ist ...“
„Die israelische Delegation hat die Gespräche in Taba abgebrochen, nachdem ruchbar wurde, wer sich für das Rosenfeldt-Attentat verantwortlich zeichnet. Und wer hat die Wahlen gewonnen, zwei Wochen nachdem Barak die Konferenz verlassen hatte? Der Likud. Die Rechten. Scharon wurde Premier und der Friedensprozess war gestorben. Von der Rückgabe besetzter Gebiete
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