Kill Order
bar zahlen wollte. Den gestohlenen Ford ließ sie in einer Tiefgarage im Norden Münchens stehen. Nikolaj überlegte währenddessen, wie er weitermachen sollte. Es gab noch eine letzte Möglichkeit. Wenn jemand über Viktors gegenwärtige Geschäfte und seinen Aufenthaltsort Bescheid wusste, dann vielleicht die Bracci-Familie. Anna Tiépola kam ihm in den Sinn, Francesco Braccis Schwester, mit der er offiziell noch immer verheiratet war, jedenfalls unter seiner Nico Delani-Identität. Vielleicht hatte sie die Ehe aber auch annullieren lassen. Kurz fragte er sich, wie sich ihr Leben entwickelt hatte, nachdem er mit einem Knall daraus verschwunden war. Wie sie den Tod von Michael Verheyen verkraftet hatte, diesem Fotografen, den sie ohnehin nur benutzt hatte, um ihn eifersüchtig zu machen. Verheyen, der auch mehr gewesen war, als er nach außen hin vorgab. Warum sonst hatte er an jenem Tag in Berlin versuchen sollen, ihn mit geladener Waffe aufzuhalten, kurz nach Rosenfeldts Tod?
Nikolaj lehnte sich aus dem Fenster. Während er die vorbeilaufenden Passanten betrachtete, konkretisierte sich die Idee. Francescos Loyalitäten hatten sich zwar gewandelt, nachdem Nikolajs Alibi in Berlin aufgeflogen war. Aber das änderte nur wenig. So oder so war er überzeugt, dass Francesco ihm helfen konnte, wenn er nur nah genug an ihn herankam.
*
Am Ende erwies sich es als überraschend einfach, Francesco aufzustöbern. Er lebte noch immer in Venedig und seine alte Telefonnummer lief, anders als bei Gregor, nicht ins Leere.
Carmen rief ihn an, während Nikolaj neben ihr stand und lauschte. Sie wechselte zu Englisch mit einem harten arabischen Akzent und stellte sich einfach nur als Fawzie vor. Dann nannte sie ein Codewort, das Nikolaj ihr gegeben hatte und das eine heftige Reaktion bei Francesco auslöste. „Wer sind Sie?“, fragte er.
Carmen ging nicht darauf ein. „Wollen Sie mit uns handeln oder nicht? Vielleicht hat unser Kontakt gelogen und Sie sind gar nicht der Mann, den wir brauchen?“
„Woher haben Sie diesen Code?“
„Sonst suchen wir uns einen anderen Partner.“ Sie murmelte noch etwas Unverständliches und tat, als wolle sie gleich auflegen.
„Halt, warten Sie“, bat Francesco. „Bleiben Sie am Telefon. Ich muss mich absichern. Ich wüsste wirklich gern, woher Sie den Code haben. Er ist ziemlich alt. Er wird seit Jahren nicht mehr benutzt.“
„Wollen Sie jetzt mit uns ins Geschäft kommen oder nicht?“
„Kommt darauf an.“ Die Stimme des Italieners senkte sich zu verschwörerischer Freundlichkeit.
„Worauf?“ Carmen war aufgeregt. Adrenalin rauschte durch ihre Schläfen. Aber das durfte sie sich nicht anmerken lassen.
„Was für Geschäfte Sie meinen. Und für wen Sie arbeiten.“
„Wir möchten Ausrüstung kaufen. Gewehre für fünfhundert Mann. Flugabwehrraketen und Mörser.“ Sie hörte seinen Atem am anderen Ende. „Können Sie uns helfen?“
Er zögerte. Für einen Moment hing Schweigen in der Leitung. Und seine Atemzüge. Er dachte angestrengt nach. Er fragte sich, ob das eine Falle war oder eine ernstzunehmende Offerte.
„Wenn Sie das liefern können“, schob Carmen nach, „dann würden wir Sie gern treffen. Um über die Modalitäten zu sprechen.“
„Gut“, sagte Francesco nach einer langen Pause. Waffen für fünfhundert Mann. Er hatte den Köder geschluckt. Wenigstens so weit, dass er entschied, sich den potentiellen Käufer einmal anzusehen.
„Wann und wo?“, fragte sie und suchte Nikolajs Blick. Er nickte leicht, eine anerkennende Geste.
„Was schwebt Ihnen denn vor?“
„Wie wäre es mit Innsbruck?“
„Innsbruck?“ Sie konnte ihn förmlich vor sich sehen, wie er überlegte. Die Stadt war von Venedig aus leicht zu erreichen und lag abseits der Brennzentren Europas. Eine gute Wahl, musste er denken. Eine vernünftige Wahl.
„Einverstanden“, sagte er. „Also Innsbruck. Wie wäre es mit Samstag?“
„Samstag ist ausgezeichnet. Möchten Sie den Ort bestimmen, oder überlassen Sie uns die Wahl?“
„Kennen Sie sich in Innsbruck aus?“
„Wir finden jemanden, der sich auskennt.“
Francesco machte abermals eine Pause, und diesmal hätte Carmen schwören können, dass er nervös war.
„Das Landesmuseum“, sagte er endlich. „Wir treffen uns in der Abteilung für holländische Marinemalerei. Das ist nur ein einziger kleiner Raum. Leicht zu finden.“
„Gut“, erwiderte sie. Ein warmes Triumphgefühl breitete sich in ihr aus.
„Und Sie
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