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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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berührte seine Wange mit den Fingerspitzen. Dann rollte sie sich zur Seite. „Lass uns erst diese Sache zu Ende bringen, dann sehen wir weiter.“
    Er ließ sich zurücksinken und schloss die Augen. Es gelang ihm nicht, die plötzlich einsetzende Enttäuschung niederzukämpfen. Etwas hatte sich verändert, aber er konnte nicht erfassen, was es war. Mit einem Ruck setzte er sich auf. Das Hochgefühl war verflogen, seine Kehle wie zugeschnürt. Sie sah ihn mit halb gesenkten Lidern an. Unmerklich zuckte sie die Schultern.
    Ein Riss klaffte tief drinnen auf, ein körperlicher Schmerz, aus dem betäubende Kälte drang. Was hatte er erwartet? Obwohl die Distanz zwischen ihren Körpern mit einer Armlänge zu überbrücken war, schien sie in Wahrheit Welten zu betragen.

34
     
    N
    ikolajs Finger auf dem Lenkrad fühlten sich kalt an, später, als sie auf der A-14 in Richtung Berlin fuhren. Sein Körper schien einem Fremden zu gehören. Grün und gleichmäßig floss die Landschaft vorbei, flache Niederungen, Kiefernschonungen und einzelne Birken am Waldrand.
    Er nahm es kaum wahr. Viel präsenter war Carmen, dicht neben ihm, ihre Gegenwart ein Nexus des Schweigens. Sie gab sich kühl und in sich gekehrt, und er konnte nicht aufhören sich zu fragen, was geschehen war.
    Er hielt sich penibel an die Geschwindigkeitsbegrenzungen. Mechanisch reagierte er auf den Verkehr, seine Gedanken ein Malstrom aus Berechnung und Spekulation. Sein inneres Gleichgewicht war vollkommen erschüttert. Seine Fähigkeit zu rationalisieren schien sich in Rauch und Nebel verflüchtigt zu haben. Gleichzeitig gärte Unmut in seiner Kehle, der sich aber in erster Linie gegen sich selbst richtete. Was hatte er denn eigentlich verloren? Die Fronten waren geklärt. Warum konnte er die vergangene Nacht nicht als das sehen, was sie war? Ein kurzes Intermezzo ohne weitere Verpflichtungen? Weil, realisierte er düster, eine Möglichkeit verbraucht worden war. Ein Versprechen war erfüllt worden, aber nicht auf die Weise, die er sich erhofft hatte. Er trauerte um den verlorenen Einsatz und fragte sich, was er hätte tun können. Nichts, gestand er sich ein. Nicht er hatte den Impuls ausgelöst. Das war sie gewesen. Er hatte nur seine Erwartungen zu hoch gesteckt.
    Als vor Berlin die ersten Schilder auftauchten, zwang er sich, nicht länger destruktiven Gedanken nachzuhängen und konzentrierte sich auf das Nächstliegende. Er musste Viktor anrufen. Zehn Kilometer vor Berlin schaltete er das Handy ein und wählte Kusowjenkos Nummer. Er hörte am Rufton, dass Kusowjenko sich inzwischen ebenfalls in Deutschland aufhalten musste. Viktor nahm nach dem dritten Klingeln ab. Als Nikolaj sich meldete, lachte er. „Mein Freund, du hast so viele Telefonnummern, dass ich es langsam aufgebe, sie zurückzuverfolgen.“
    „Bist du in Berlin?“
    „Du hoffentlich auch.“ Kusowjenko wurde ernst. „Meine Zeit ist begrenzt.“
    „Keine Sorge.“ Nikolaj warf den Zigarettenrest aus dem offenen Fenster. Sie hatten Berlin umfahren und näherten sich der Stadt von Norden her. „Es ist jetzt kurz vor zehn. Ich schlage vor, wir treffen uns um drei Uhr.“
    „Wo?“, fragte Kusowjenko.
    „Im Stadtzentrum.“
    „Das ist groß.“
    „Ich rufe dich vorher an.“
    „Dein Misstrauen beleidigt mich.“ An- und abschwellendes Rauschen überlagerte Kusowjenkos Worte. Wind.
    „Das glaube ich nicht.“
    Kusowjenko lachte erneut. „Du denkst, ich will dich aufs Kreuz legen?“
    „Sag du’s mir.“
    „Will ich aber nicht.“
    „Ich rufe dich wieder an.“ Er unterbrach die Verbindung, ohne Kusowjenkos Erwiderung abzuwarten, und legte das Telefon auf die Mittelkonsole.
    „Was ist jetzt der Plan?“, fragte Carmen. Ihre Stimme klang sachlich und verbarg jede Emotion.
    Er bog auf den Zubringer zur Berliner Stadtautobahn ab und versuchte die widersprüchlichen Empfindungen zu ersticken, die in ihm hochstiegen. Er wusste, dass er sich jetzt auf die nächsten Stunden konzentrieren musste, auf sein Treffen mit Kusowjenko und darauf, es nicht nur zu überleben, sondern auch die Antworten zu bekommen, um deretwillen er das ganze Risiko überhaupt einging. Dafür würde er all seine Kraft brauchen. Er konnte es sich nicht leisten, jetzt in Sentimentalitäten zu versinken. „Warst du schon mal auf der Museumsinsel?“
    „Triffst du ihn dort?“
    „Kennst du die Kolonnaden?“
    „Nein.“
    „Das ist ein Säulengang vor der Alten Nationalgalerie. Ich werde mich mit Viktor am Westende

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