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Kill Order

Kill Order

Titel: Kill Order Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Gunschera
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sind.“
    Sarkis nickte. Seine buschigen Brauen zogen sich zusammen. Die Falten auf seiner Stirn kerbten sich noch tiefer als gewöhnlich. „Stimmt was nicht mit den Bildern? Sind sie ...“
    „Gestohlen?“ Nikolaj lächelte. „Nein. Aber sie haben eine Geschichte, und wenn man sie findet, kann meinem Freund das schaden. Du musst sie nicht nehmen, wenn du nicht willst. Ich kann einen anderen Ort dafür finden.“
    Sarkis betrachtete die vier Rollen, wie sie auf dem Holztisch lagen. Ein Grinsen flackerte über sein Gesicht. „Sehr groß sind sie ja nicht“, murmelte er. „Die werden kaum Platz wegnehmen auf dem Dachboden.“ Er blickte auf, sein Grinsen wurde breiter. „Ich räume sie weg, und dann vergesse ich sie. Solange, bis du mich wieder daran erinnerst.“
     
    Von Hawqa fuhr Nikolaj zuerst in Richtung Ehden. Von dort führte eine schmale und kurvenreiche Straße weiter nach Zgharta. Es wurde Mittag, die Temperaturanzeige kletterte auf neunundzwanzig Grad. Immer wieder warf er einen Blick in den Rückspiegel. Er rechnete nicht mit Verfolgern. Es war nur Reflex, ein Teil seiner Instinkte, die allmählich an die Oberfläche zurückkehrten.
    Die Straße schraubte sich höher hinauf in die Berge, eine steinige Hochebene breitete sich aus. Hinter einer Kurve kam ein Checkpoint in Sicht, ein kleines Wachhaus und eine hochgezogene Schranke. Die Station war verlassen. Seit dem Abzug der Syrer wurden die Kontrollpunkte kaum noch genutzt.
    Fünfzehn Jahre. So vieles hatte sich geändert. Der Libanon war auf dem Weg, die Fremdbesatzer abzuschütteln, die seit Jahrzehnten versuchten, das Schicksal des kleinen Landes zu lenken. Ägypten, Jordanien, Syrien und Israel, sie hatten ihre Truppen abgezogen und das Land den Bauunternehmern und den ausländischen Investoren überlassen.
    Zu PFLP-Zeiten hatten sie tagelange Umwege in Kauf genommen, um Checkpoints wie diesem auszuweichen. Ein halbes Dutzend Missionen, LKWs voller Waffen und Sprengstoff, die sie an der syrischen Grenze übernommen und dann als Obstlieferungen getarnt nach Beirut gefahren hatten. Potentielle Himmelfahrtkommandos, aus heutiger Sicht.
    Mein Gott, sie waren naiv gewesen. Ein einziges Mal hatte er erlebt, dass die Soldaten hinter der Schranke Verdacht schöpften. Es war zu einer Schießerei gekommen, Menschen waren gestorben. Sie selbst hätten sterben können. Aber soweit dachte niemand. Sie hatten sich für unbesiegbar gehalten.
    Und heute, dachte er bitter, heute gab es Tausende wie sie. Halbe Kinder, schlecht ausgebildet, die sich mit ihren automatischen Waffen und den selbst montierten Sprengsätzen für unbesiegbar hielten, weil sie einen gesichtslosen Gott hinter sich glaubten.
    Er fragte sich wie hundert Mal zuvor, was ihn und seine Freunde angetrieben hatte, kaum volljährig und weit davon entfernt, die eigenen Taten zu verstehen. Eine naive Form von Abenteuerlust vielleicht. Das kindlich anmutende Bedürfnis, etwas Heldenhaftes zu tun. Etwas, das in anderen Menschen Bewunderung weckte. Und ein diffuses, wenig zielgerichtetes Bedürfnis nach Rache. An den Israelis, an der Gesellschaft, an der Welt, die zuließ, dass Kinder ihre Väter durch verirrte Raketen verlieren konnten.
    Nikolaj passierte das Wachhaus und die Schranke. Die Sandfläche am Straßenrand war mit Gras überwachsen. Im November 2001, viele Jahre später, hatten sie ihn hier angehalten und nach seinem Pass gefragt. Er war nervös gewesen. Die Papiere waren kaum eine Woche alt. Er war kein Spezialist für solche Dinge, er hatte nur das Versprechen des Mannes in Kairo gehabt, dass sie einer genauen Durchleuchtung standhalten würden.
    Ein LKW bog um die Kurve. Nikolaj bremste ab und rollte nahe an den Straßenrand, um den Laster vorbeizulassen. Es war viel passiert, zwischen jener Militärkontrolle vor vier Jahren und den unverfrorenen Guerilla-Aktionen seiner PFLP-Zeiten. Und heute? Ihm gefiel sein ruhiges Leben im Wadi Qadisha. Er verspürte keine Sehnsucht nach der Vergangenheit. Umso mehr beunruhigte ihn die Tatsache, dass sie ihm offenbar immer noch an den Fersen klebte. Er beobachtete, wie der Checkpoint im Rückspiegel verschwand. Die Straße hinter ihm blieb leer.
     
    *
     
    Rafiq hockte auf dem Sofa der sicheren Wohnung, zusammen mit Alex und Sami, den beiden Technikern, die gestern Nacht aus Paris gekommen waren. Alexander Pavlov kannte er von einem früheren Einsatz. Der hellhaarige junge Mann wirkte in jeder Hinsicht durchschnittlich, war aber ein begabter

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