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Kill Whitey

Kill Whitey

Titel: Kill Whitey Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ueberreuter
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und abfiel. Nachdem ich die Glasreste beseitigt hatte, kletterte Sondra durch das Fenster, gefolgt von Yul. Ich sah mich noch einmal um, ehe ich hinter den beiden hereilte. Falls Whitey den Lärm gehört hatte, ließ er es sich nicht anmerken. Er war wieder verstummt. Das einzige Geräusch stammte von den fernen Sirenen.
    Im Lagerhaus lehnte ich die Sperrholzplatte wieder gegen das Fenster und stützte sie mit einem Stapel leerer Holzkisten. Bei näherer Betrachtung würde man erkennen, dass die Platte nicht festgenagelt war, aber bei einem flüchtigen Blick würde es hoffentlich reichen, um jemanden zu täuschen.
    Unsere Augen passten sich an die Düsternis an. Das Lagerhaus erwies sich als leere, hohle Hülle – eine große Halle, in der verschiedenes Geröll verstreut lag. Stahlträger erstreckten sich in Abständen von jeweils drei Metern vom Boden zur Decke. Der Betonboden war rissig und löchrig. Trübes Sonnenlicht drang durch die schmutzigen Dachflächenfenster herein. Staub schwebte in den Strahlen. Spinnweben und Ruß überzogen alles. Die Luft war abgestanden und muffig, doch ich konnte auch uns riechen – meinen und Sondras Schweiß, Yuls mit Erbrochenem besudelte Kleider. Und noch etwas, bitter wie Ammoniak.
    Ich schnupperte. »Yul, hast du dich angepisst?«
    »Lass mich zufrieden.« Er zog sein Handy hervor und klappte es auf.
    »Wen rufst du an?«, wollte ich wissen.
    »Kim. Ich muss ihr sagen, dass es mir gut geht. Diese Scheiße kommt bestimmt in den Nachrichten.« Einen Augenblick starrte er auf das Telefon, ehe er es frustriert wieder zuklappte. »Verdammt! Hier drin ist kein Empfang.«
    »Kommt mit«, drängte ich. »Wir können nicht hier neben dem Fenster stehen bleiben. Whitey oder die Bullen werden uns hören. Wir müssen uns verstecken.«
    »Aber wollen wir denn nicht, dass die Bullen uns finden?«
    »Nein«, antworteten Sondra und ich gleichzeitig.
    Yul zuckte zusammen. »Das verstehe ich nicht.«
    »Pass auf«, sagte ich. »Du steckst nicht in Schwierigkeiten. Du kannst einfach sagen, wir hätten dich als Geisel genommen. Sondra hingegen kann im Augenblick keine Bullen gebrauchen – und ehrlich gesagt, ich wahrscheinlich auch nicht.«
    Wir wagten uns weiter in das Gebäude vor. Ratten quiekten in dunklen Winkeln. Fliegen krochen über die Dachluken und die vernagelten Fenster. Mücken schwirrten durch die Luft. Sondra zuckte zusammen, als sie versehentlich mit dem nackten Fuß knirschend eine Kakerlake zertrat. Wir lauschten auf Verfolgungsgeräusche, aber sofern sich Whitey vor der Lagerhalle befand, verhielt er sich ruhig.
    Sondra schauderte. Es war kalt in der Halle. Feucht. Ich schlang einen Arm um ihre Schulter. Sie lächelte.
    Vielleicht hatte ich Yul ja doch nicht belogen. Vielleicht würde uns tatsächlich nichts passieren.
    Am gegenüberliegenden Ende der Lagerhalle befand sich ein offenes Tor, groß genug für Gabelstapler mit voller Ladung. Dahinter grenzte ein weiterer leerer Lagerraum an die Halle. Eine Betontreppe führte in ein Obergeschoss auf der rückwärtigen Seite des Gebäudes, eine Wartungsrampe verlief in ein Untergeschoss hinab. Unten war es zu dunkel, um etwas zu erkennen.
    »Gehen wir runter«, schlug ich vor. »Es ist dunkel genug, um uns zu verstecken.«
    »Nein«, widersprach Sondra. »Ist zu sehr wie Schiff. Ich nicht mehr mag Dunkelheit.«
    Yul streckte die Hand nach einem Lichtschalter aus, aber ich bremste ihn mit leiser Stimme.
    »Selbst wenn die Stromversorgung noch läuft, wollen wir mit Sicherheit kein Licht. Ebenso gut könnten wir ›Hier sind wir!‹ brüllen, bis jemand kommt.«
    »Stimmt. Tut mir leid. Ich bin nur ... Also, irgendjemand muss mir jetzt mal sagen, was eigentlich los ist. Von Anfang an.«
    Also tat ich es. Während wir den zweiten Raum durchsuchten und nach einem Versteck Ausschau hielten, klärte ich Yul über alles auf, was sich ereignet hatte. Über all die Scheiße. Ich ließ nichts aus. In Anbetracht der Umstände nahm er es recht gut auf. Vielleicht hatte er einen Schock, womöglich lag es auch an Erschöpfung, aber er schien alles zu akzeptieren – die Ermordung unserer Freunde, die Neuigkeit, dass wir die Mafia auf dem Hals hatten, den Umstand, dass ich Menschen getötet hatte und wir somit auch von der Polizei verfolgt wurden. Nicht zu vergessen den Totalschaden an seinem Auto. Er nahm alles resigniert hin.
    Im hinteren Bereich der leeren Laderampe befand sich ein Haufen aus zerbrochenen Paletten und Versandkartons, wie

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