Kill your friends
Karte, mein ’err. Im Ofen gebacken, mit Thymian und Meersalz?«
Rage presst die Fäuste aneinander, bis die schwarze Haut um seine Goldringe herum weiß wird. Los geht’s.
Jedes Mal, wenn ich bisher mit Rage einen öffentlichen Ort aufgesucht habe, gab es eine Szene. Er hat den Lauten gemacht, ist wutentbrannt davongerauscht, mehr als einmal kam es dabei zu körperlicher Gewalt. Ich würde mich selbst nicht gerade als Frohnatur bezeichnen, aber bei diesen Typen, Typen wie Rage, fragt man sich doch, wie sie das machen. Was muss passieren, damit man jeden Morgen bereits schäumend vor Wut aufwacht und dieser Zorn im Verlauf jedes einzelnen verfickten Tages auch noch wächst? Er lebt in einer Welt, in der jede Begegnung, vom Einparken über den Versuch, einen Liter Milch zu kaufen, bis zum Geschäftsessen, mit der Möglichkeit tatsächlicher oder imaginärer Respektlosigkeit belastet ist, die auf der Stelle und mit aller Vehemenz gerächt werden muss. Wie macht er das? Dann fällt dir seine Kindheit ein: das Heim, die Schläge. Seine Zeugung: eine brabbelnde Cracknutte, vollgepumpt mit einem monströsen Schwall bösartigen Nigger-Vergewaltiger-Spermas, um den »Drum & Bass Superstar« zu produzieren, der mir jetzt gegenübersitzt.
Es ging noch weiter. Als Rage ein kleiner Junge war, hat seine Mutter mit ihm einen Ausflug von London hoch nach Manchester gemacht. Sie hielt im Stadtzentrum und ließ ihn aus dem Wagen steigen. Dann fuhr sie zurück nach London. Er hat sie niemals wiedergesehen. Ein paar Tage lebte er auf der Straße – jammernd und flehend –, bis die Cops ihn krallten. Die nächsten zehn Jahre schleusten sie ihn durch eine Reihe von Kinderheimen, wo er zweifellos pausenlos geschlagen und in den Arsch gefickt wurde. Mal ehrlich, das hätte euch auch fertiggemacht, oder? Es hätte euer Verständnis von bedingungsloser Liebe komplett neu definiert.
Aber heute Abend bleibt er überraschenderweise großmütig, ja geradezu reizend. »Scheiß drauf«, sagt er leichthin und bekommt es irgendwie geregelt, mit seiner tonnenschweren Hand abzuwinken, »bring mir einfach was Verficktes zu essen, alles klar?«
»Können wir das Equipment für die Tour nicht anmieten?«, sage ich.
Rage schüttelt heftig mit dem Kopf und saugt Luft durch sein verchromtes Gebiss. »Mit gemietetem Kram kann ich nicht arbeiten, Alter. Das läuft nicht.«
»Also«, sagt Fisher, »glaubt ihr Typen nun an den Jungen?« Er zeigt mit seinem pummeligen Daumen in Richtung Rage: »Langfristig?«
»Ja«, lügen wir beide.
»Dann wird dies nicht die einzige Tour bleiben, die wir miteinander machen. Es ist eine Investition.«
»Ich glaube bloß nicht, dass wir die zusätzlichen Ausgaben rechtfertigen können«, sagt Schneider nervös. »Der Toursupport ist bereits jetzt ausgesprochen hoch.«
»Okay«, seufzt Fisher, als er seine letzte Karte auf den Tisch legt, »dann werden wir die Tour absagen müssen.«
Wir lachen. Sie nicht.
»Ich werd’s, verfickt noch mal, nicht machen«, sagt Rage. Danach herrscht geraume Zeit Stille.
»Aber«, sagt Schneider, als ihm klar wird, dass das ihr voller Ernst ist, »wir haben bereits für die Werbung gezahlt. Wir haben …«
»Nicht unser Problem«, sagt Fisher.
Würden sie aus reiner Bösartigkeit ihre eigene Tour kippen? Natürlich würden sie. Wenn dich deine eigene Mutter im Alter von sieben Jahren zum Teufel geschickt hat, verliert es seinen Schrecken, dem Rest der Welt zu sagen, sie könne zum Teufel gehen – vor allem, wenn man das tagtäglich tut. Ich wundere mich, dass sie sich überhaupt mit dem Dinner aufgehalten haben. Warum sind sie nicht gleich mit Strumpfmasken über den Köpfen und gezogenen Waffen in die Vorstandsetage marschiert und haben sechzig Riesen verlangt?
Schneider tut eine mittlere Ewigkeit so, als würde er nachdenken. Aber es gibt nichts nachzudenken.
»Dreißig Riesen«, sagt er, »verrechenbar.«
»Fünfzig«, sagt Fisher.
»Vierzig.«
»Wir sind im Geschäft, Mann.«
Sie schütteln sich die Hände. Irgendwann wird uns Fishers Managementfirma eine Fantasieabrechnung mit einem Haufen Fake-Quittungen zukommen lassen. Darin werden uns Ausgaben für beknacktes Equipment berechnet, welches sie gar nicht besitzen. Genau genommen hat Schneider gerade zugestimmt, ihnen ohne eine einzige Sicherheit vierzig Riesen zu geben. Wir bekommen es eventuell zurück, wenn – ein »Wenn« von der Größe eines Kontinents – Rages Album sämtliche Kosten wieder
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