Kill your friends
Achsel geklemmt – die Tür öffnet. Der snobistische Bastard hat eine Art Suite mit französischen Doppelfenstern abbekommen, die sich zu einem Balkon über der Strandpromenade öffnen. »Fick dich«, sage ich und nehme mir zwei Flaschen Scotch aus seiner Minibar.
Ich setze mich an das offene Fenster, eine kühle Septemberbrise weht durch den Raum, während Trellick durchs Zimmer geht und gleichzeitig versucht, eine Zigarette zu rauchen, in sein Handy zu sprechen und sich in seinen Anzug zu zwängen. Auch ich trage einen Anzug. Ich blättere durch Trellicks Ausgabe der Music Week. Das alles beherrschende Thema: Neil Ferris, jüngst als Geschäftsführer bei der EMI eingesetzt, heuert und feuert wie ein Wahnsinniger. Er hat Tris Penna zum Head of A&R ernannt. Nick Robinson, den bisherigen Leiter der A&R-Abteilung, hat er aber nicht vor die Tür gesetzt, sondern nur degradiert. Er wird jetzt unter Penna arbeiten müssen. Mal im Ernst, Robinson, wo ist deine verfickte Selbstachtung? Warum gibst du dir nicht einfach die Kugel?
»Was hast du für ein Problem, du Pfeife?«, fragt Trellick, nachdem er aufgelegt hat.
»Gar keins«, sage ich. »Wann bist du angekommen?«
»Gerade eben.«
»Irgendjemand unten?«
»Ich habe deinen Kumpel unten in der Bar gesehen« –
»Dein Kumpel« ist jetzt der offizielle Euphemismus für Parker-Hall –, »er hat sich ausgesprochen angeregt mit Derek unterhalten.«
»Ach, tatsächlich?«, sage ich beiläufig. Dieser kleine Networking-Wichser.
Die Zielsetzung der jährlichen Firmenkonferenz ist klar: Du trommelst sämtliche Vertreter aus allen Ecken des Landes zusammen und verfrachtest sie gemeinsam mit den wichtigsten Händlern – Our Price, Virgin, HMV und Konsorten – sowie jedem Angestellten unserer Firma, der einen Rang oberhalb des Hausmeisters innehat, für ein paar Tage in eine Fünf-Sterne-Abscheulichkeit am Meer. Dort bombardierst du sie mit Reden darüber, wie großartig wir alle sind, und führst ihnen Videos und Präsentationen unserer neuesten Acts vor.
Einige ausgewählte Künstler, die sogenannten Priority Acts, spielen live auf der Konferenz. Wenn du in einer Band spielst, muss das dein schlimmster Albtraum sein. Stell dir vor, deine zutiefst empfundenen Hymnen der Jugend und Entfremdung in einem Hotel-Konferenzsaal voller Handelsvertreter zu schmettern. Einem Raum voller Mondeo fahrender, Next-Anzüge tragender, Waschbeton-Doppelhaushälfte-und-zwei-Kinder-Ärsche. Einige Bands erleben bei ihrem Auftritt auf der Konferenz so eine Art existenzieller Kernschmelze. Es ist zu lustig. Sie wissen, dass es die absolute Antithese des Rock and Roll ist, vor einem Saal voller »Anzüge« aufzutreten. Aber einer wie der andere wollen sie eben auch Platten verkaufen, also ereifern und beschweren sie sich, jammern und wehklagen, bevor sie sich schließlich darauf einlassen. Im Herzen sind alle Musiker brave Kapitalisten. Selbst der beschissene Thom Yorke. Wenn er nicht gerade darüber lamentiert, welche Sorte Kaffeebohnen man verwenden soll, damit irgend so ein Arsch in der äußeren Mongolei sich ein Wasserklosett in seiner dreckigen Bude leisten kann. Selbst er macht sich Gedanken über das Marketingbudget, die Größe der Venues und über Radio-Playlists. Er wird dir – ohne dabei eine Mine zu verziehen – weismachen, dass er über solche Sachen bloß nachdenkt, weil er will, dass »seine Botschaft rüberkommt«. Er möchte »so viele Leute wie möglich erreichen«. Das ist es, was er dir erzählen wird.
Aber selbst für uns ist die Konferenz kein reines Zuckerschlecken. Abends beim Dinner in der Hotelbar musst du dich mit den Vertretern rumschlagen. Diesen Volldeppen, die in ihren Zwei-Liter-Opel-Kombis die Autobahnen runterbrettern und verzweifelt versuchen, die Penner von Bob’s Records in Ipswich zu bearbeiten, damit sie ihnen ein paar mehr Exemplare der neuen Mansun-LP abnehmen. Also hörst du dir mit einem schmerzhaft aufgesetzten Lächeln ihre Geschichten darüber an, wie viele Celine-Dion-Platten sie in nur einer Woche verkauft haben, und welche lokale Provinzband ihrer Meinung nach nächstes Jahr groß rauskommt. Du stehst da und hörst ihre trübseligen, Chardonnay-trunkenen Ansichten über die Zukunft der Musikindustrie.
Endlich ist Trellick fertig, sodass wir ein schnelles Näschen nehmen und die Bar entern können.
Ich habe beschlossen, die Songbirds nicht auf der Konferenz auftreten zu lassen. Dabei haben wir es schlussendlich sogar fertiggebracht,
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