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Kill your friends

Kill your friends

Titel: Kill your friends Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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du’s denn noch nicht gehört?«
    »Was gehört?«
    Er zieht mich in Waters’ altes Büro, wo ein paar tränenüberströmte Sekretärinnen um einen Fernseher hocken. Paris, ein Tunnel, ein geschrotteter Mercedes, Kensington Palace, ein riesiger Auflauf jammernder Prolls.
    Ich schmeiß mich ans Telefon und tätige ein paar Anrufe. Die Radio-Playlists werden aufgeschoben und neu konfiguriert, Veröffentlichungstermine werden zurückgezogen und abgesagt. BMG hat mächtig Ärger am Hals: Das neue Album von Kylie Minogue, Impossible Princess, wird zurückgehalten, neu betitelt und mit einem neuen Artwork versehen. Death in Vegas werden wegen ihres Namens nicht mehr im Radio gespielt. Die neue Prodigy-Single ist im Arsch, weil das Cover ein Autowrack zeigt.
    Es ist ein verfluchter Albtraum. Gott sei Dank habe ich in den nächsten paar Wochen keine Platte zur Veröffentlichung anstehen.
    Parker-Hall und ich begeben uns in Trellicks Büro. Wir leisten ihm und dem ebenfalls anwesenden Ross auf dem Sofa Gesellschaft, während Trellick zwischen CNN und BBC hin und her schaltet. In Newcastle, Milton Keynes, Coventry heulen sich die Loser auf den Straßen die Augen aus dem Kopf. Eine fette Alte erscheint auf dem Bildschirm. Tränen rollen ihr übers Gesicht. Ihr Gesicht. Heilige Scheiße – es ist das eines waschechten Vierzig-Biskuitrollen-und-eine-Flasche-Wodka-täglich-Monsters, überzogen mit Krampfadern, zerstört von ihrem so gleichermaßen sinn- wie bargeldlosen Leben. »Sie … sie …«, stammelt die durchgeknallte Kuh, unfähig, Wörter zu artikulieren, und vor Trauer völlig von der Rolle, »… sie hat so viel Gutes für das Volk getan.« Wir bepissen uns vor Lachen. Aber hier im Haus geht genau die gleiche Scheiße ab. In den Fluren der Buchhaltung heulen die Sekretärinnen Rotz und Wasser und schließen sich gegenseitig tröstend in die Arme. Es raubt mir den Atem – dieser scheinbar aufrichtige Kummer, die Bestürzung über den Tod eines Menschen, zu dem keiner von ihnen einen wie auch immer gearteten persönlichen Bezug hat. Aber eine goldene Regel des Showbiz besagt, wann immer etwas zu einem massiven kollektiven Gefühlsausbruch der unteren Klassen führt – Weihnachten, die Fußball-WM, Sommerferien –, gibt es Platten zu verkaufen und Geld zu verdienen.
    »Wir werden an der ganzen Scheiße doch sicher mitverdienen wollen, oder?«, sagt Ross. »Mit einer Tribute-LP? Irgendeiner Benefiz-Geschichte?«
    Trellick denkt einen Moment nach. »Nee«, sagt er schließlich, »die Leute sind längst für so etwas sensibilisiert. Die würden den Braten riechen. Es wäre quasi unmöglich, dabei einen Gewinn abzuschöpfen. Vielleicht in einem Jahr. So eine Jahrestag-Sache …« Möglicherweise liegt er damit sogar richtig, aber es ist eine Schande, denn in der Vergangenheit ist es uns dank einiger ausgesprochen kreativer buchhalterischer Kniffe gelungen, mit einer Reihe von Benefizplatten, an denen wir beteiligt waren, ganz ordentlich Schotter zu machen.
    »Ja, das ist den Kummer nicht wert«, sage ich.
    »Ich weiß nicht«, sagt Parker-Hall und zündet sich eine Zigarette an, »die Verkäufe würden schließlich in unseren Marktanteil mit einfließen, oder?«
    »Guter Einwand«, nickt Trellick anerkennend.
    »Ja, aber«, hebe ich an, doch Parker-Hall hat die ganze Aufmerksamkeit. Er referiert über Lizensierung, über die einer trauernden Nation angemessenen Tracks, über Marketing. Trellick und Ross nicken hingerissen alles ab. Ich sitze da, blättere in der Music Week und werde immer wütender.
    Trellick macht einige Anrufe, aber es sieht ganz danach aus, als hätte Elton John bereits etwas angeleiert. Der ist allerdings bei Mercury unter Vertrag, weshalb das Projekt wohl dort stattfinden wird.
    »Scheiße«, sagt Parker-Hall, »aber einen Versuch war es wert. Gehen wir essen, James?«
    »Sicher, gerne«, sagt Trellick. Ich warte, dass Parker-Hall seine Einladung auf mich ausweitet. Tut er nicht.
    »Ich muss los«, lüge ich. »Ich hab noch ein Meeting in der Stadt.«
    »Oh, Steven?«, sagt Parker-Hall, als ich gerade gehen will. Ich drehe mich um. Ohne mich anzusehen und seinen Blick vom Fernseher abzuwenden, sagt er: »Besorgst du bitte die Demos von Coalition für mich? Die Band, von der Rob gesprochen hat? Danke.«
    Ich nicke, trete durch die Tür und gehe den Flur hinunter. Ich habe ein lautes Brausen in meinen Ohren und einen metallischen Geschmack in meinem Mund. Es fällt mir schwer, scharf zu

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