Killashandra
schüttelte den Kopf. »Ich könnte mir vorstellen, daß das Kristallsingen eine wun-derbare Alternative wäre.«
»Optherianer verlassen ihren Planet nicht, auch wenn sie enttäuscht werden. Aber jetzt entschuldigen Sie mich, Gildenfrau ...« Mirbethan unterbrach die Verbindung.
Killashandra starrte den leeren Bildschirm noch für eine Weile an. Natürlich wußte weder Mirbethan noch ein anderer Angehöriger ihres Quartetts von ihrer musikalischen Ausbildung. Und natürlich konnte niemand von Killashandras Enttäuschung wissen und wie sie auf Mirbethans Erklärung reagieren würde. Wenn man die Orgelaus-bildung nicht schaffte, hatte man auf Optheria keine andere Möglichkeit? Killashandra konnte einfach nicht glauben, daß gescheiterte optherianische Musiker gern auf dem Planeten blieben, selbst wenn sie von Kindheit an darauf gedrillt worden waren.
Und der Tenor hatte das absolute Gehör gehabt. Es war eine Schande, diese Stimme verkommen zu lassen und ihn an die Orgel zu zwingen, so >vollkommen< das Instrument auch war. So gefährlich der Beruf des Kristallsängers war, er war immer noch besser, als auf Optheria vor Langeweile einzugehen. Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie ging zum Terminal. Sie ließ sich mit der Bibliothek verbinden und rief den Eintrag über Ballybran ab. Ein stark zusammengestrichener Eintrag rollte vor ihren Augen ab, der mit einer Beschränkung nach Artikel Vier endete. Sie rief die politisch-wissenschaftliche Sek-tion auf und entdeckte auch hier faszinierende Lücken.
Also gab es auf Optheria Zensur. Aber das half ihr nicht weiter. Zensur war kein Bruch der Charta, und die Gilde war nur gebeten worden, nachzuforschen, ob das planetarische Ausgangsverbot von der Bvölkerung akzeptiert wurde.
Nun, sie wußte jemand, den sie fragen konnte: den Tenor — falls er nicht nach der nächtlichen Jagd unter-getaucht war. Killashandra grinste. Aber wie sie Held-entenöre kannte ...
Sie frühstückte — wenigstens das Frühstück war reichhaltig — und war schon angekleidet, als Thyrol eintrat und sich erkundigte, ob sie gut geruht habe und
— was noch wichtiger war — ob sie bald mit der Reparatur beginnen könne. Er deutete taktvoll auf ihren Arm.
»Haben Sie den Täter schon geschnappt?«
»Das ist nur eine Frage der Zeit.«
»Wie viele Studenten gibt es hier im Complex?« fragte sie liebenswürdig, während Thyrol sie durch den Gang zum Aufzug führte.
»Im Augenblick vierhundertdreißig.«
»Das sind aber eine Menge Verdächtige, die Sie verhören müssen.«
»Kein Student würde es wagen, einen geehrten Gast des Planeten anzugreifen.«
»Auf den meisten Planeten wären Studenten die Haupt-verdächtigen.«
»Meine liebe Gildenfrau, der Auswahlprozeß, den die Studenten durchlaufen müssen, berücksichtigt alle Aspek-te ihrer Herkunft, ihrer Ausbildung und ihrer Fähigkeiten.
Hier wird eine alte Tradition fortgeführt.«
Killashandra murmelte eine passende Antwort. »Wie viele Stellen stehen denn den Studenten nach ihrer Ausbildung offen?«
»Das ist nicht der Punkt, Gildenfrau« sagte Thyrol mit milder Herablassung. »Die Anzahl der voll ausgebildeten Künstler, die Kompositionen für die optherianische Orgel erschaffen, wird nicht begrenzt...«
»Aber es kann doch immer nur einer spielen.«
»Es gibt auf Optheria fünfundvierzig Orgeln.«
»So viele? Warum konnten Sie dann nicht einfach eine von denen nehmen?«
»Das Instrument hier im Complex ist das größte, das modernste und zudem absolut notwendig für den Aus-bildungsstand, der beim Sommerfestival vorgeführt wird.
Komponisten vom ganzen Planeten wetteifern um die Ehre und haben ihre Werke eigens auf das Potential des Hauptinstruments zugeschnitten. Sie zu bitten, auf einem kleineren Instrument zu spielen, widerspräche dem Sinn des Festivals.«
»Ich verstehe«, sagte Killashandra, obwohl sie überhaupt nichts verstand. Doch nachdem sie die Barrieren und Sicherheitsüberprüfungen hinter sich gelassen hatten, welche die beschädigte Orgel beschützten, begann sie die Unterscheidung zu verstehen, die Thyrol getroffen hatte.
Er hatte sie in die aus den Felsen geschlagenen Kel-lergeschosse des Complex geführt, und nun standen sie in einem beeindruckenden und unerwartet weitläufigen Amphitheater, das sich in die natürliche Senke zu beiden Seiten des Complex einfügte. Eine große Erdsenkung und der Zahn der Zeit hatten in der Bergflanke einen vollkommenen Halbkreis erzeugt. Die Optherianer hatten das
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