killer country: thriller (German Edition)
Wasser. Stand in der Dunkelheit neben der Arbeitsplatte. Die Jalousien offen, so dass er die Stadt sehen konnte – die hellen Lichter, die sich in dem Becken unten sammelten. Die gelben Schnüre aus Lampen um die Bucht.
Cat2 sprang auf die Theke und drängte sich an ihn, forderte seine Aufmerksamkeit. Er massierte sie zwischen den Augen, während er an den Killer mit den kurzen Dreadlocks dachte. Warum hatte er sie nicht getötet? Es gab keinen Grund. Zwei weitere Tote auf einer solch langen Liste von Morden hätten keine Bedeutung gehabt. Nein. Er hatte sie am Leben gelassen, weil er es konnte. Es war ihm egal. Er hatte ihnen einen Gefallen getan. Eine hinterlistige milde Gabe. Wie eine Münze, die man achtlos einem Bettler in die Blechdose warf. Ohne nachzudenken. Um dann unbekümmert weiterzugehen.
Die Vorstellung machte Mace wütend. Diese Arroganz. Auf solche Weise von einem selbsternannten Todesengel beschenkt zu werden. Und es unter die Nase gerieben zu bekommen.
Er ließ in Gedanken noch einmal seinen Albtraum passieren. Bild für Bild. Er war durch ein felsiges Gelände gejagt worden. Auf dem Boden lagen Steine, riesige Ansammlungen von Gesteinsbrocken, die wie stille Grabmäler wirkten. Seine Beine schwer, die Muskeln zu erschöpft, um noch viel länger einen Fuß vor den anderen zu setzen. Als ob er durch weichen Sand laufen würde. Keuchend. Pylon vor ihm, der sich immer wieder zu ihm umschaute und ihn drängte weiterzulaufen. Geschützfeuer. Brüllende Männer. Und plötzlich das Gesicht von Mr Dreadlocks neben ihm. Der Mann lachte – lachte so sehr, dass man seine Zähne sehen konnte. Zückte eine Pistole mit Schalldämpfer. Peng. Peng. Es waren keine Schüsse zu hören, sondern nur der Killer, der sie spöttisch nachmachte.
Mace merkte, wie ihm erneut der Schweiß auf Brust und Rücken ausbrach.
52
Sie hatte ihn im Krankenhaus besucht. Ihn betrachtet, während er geschlafen hatte. Ein verletzlicher Mann an Schläuchen und Kabeln. Seine Wangen stoppelig, sein Gesicht fast friedlich mit den geschlossenen Augen. Diese Augen, die wie Glas aussahen. Wie kaltes blaues Eis. Nordisch wie ihre eigenen. Was ihr gefiel. So hatten sie noch etwas gemeinsam.
Sie überlegte sich, ob sie ihm eine Rosenknospe dalassen sollte. Eine einzelne Blume in einer eleganten Vase auf dem Tischchen neben seinem Bett. Das würde ihn ärgern. Ihm vielleicht einen Schauder über den Rücken jagen. Wobei sie glaubte, dass Mace Bishop alles, was ihn belastete, hinter Gewaltausbrüchen verbarg.
Sie lächelte, wenn sie sich seine Reaktion vorstellte. Malte sich aus, wie er die Vase mit dem Handrücken vom Tisch fegte. Krankenschwestern und Sicherheitsleute rief, um eine Erklärung zu verlangen.
Sie sollten sie beschreiben. Wie? Groß. Auffallend. Hohe Wangenknochen. Perfekte Lippen, pflaumenfarbener Lippenstift. Ihre funkelnden Augen. Ihre dunklen Haare, glänzend und zu einem Bob geschnitten. Das elegante Kostüm. Der schwarze Handschuh an ihrer linken Hand.
Sie darf nicht mehr auf die Station gelassen werden. Wegen eines Rosenstiels? Seine Forderung, ernst genommen zu werden. Die verwirrten Mienen der Schwestern und Ärzte, nickend, belehrend, was ihn noch wütender machte.
Allein deshalb hätte es sich gelohnt. Aber sie schmiedete andere Pläne. Stand stattdessen am Fußende des Bettes und fotografierte ihn.
Sie öffnete die Aufnahmen auf ihrem Laptop. Es war eine ganze Serie: aus weiter Entfernung, wie eine Krankenbahre aus einem Helikopter gehievt wurde; aus größerer Nähe, wie der Verwundete auf der Bahre in einen Krankenwagen geschoben wurde, Frau und Tochter besorgt daneben; wie der Krankenwagen unter dem Tor eines Krankenhauses stand, die Türen geöffnet, während man die Bahre eilends in die Notaufnahme rollte. Zwei Fotos von Mace Bishop im Krankenhausbett. Das nächste, wie er das Krankenhaus auf Krücken verließ. Die Kamera holte sein Gesicht heran, so dass man seine schmerzverzerrte Miene erkennen konnte. Dann: Mace auf der Strandpromenade, den Arm in einer Schlinge; Mace in einem Café, der Arm ohne Verband; Mace oben an der Station der Seilbahn – eine Aufnahme von hinten, mit der Bucht im Hintergrund. Eine frontale, wie er auf die Kamera zulief – eine Gestalt in der Landschaft zwischen Felsen und niedrigem Gestrüpp. Oben auf dem Berg, wo man hinter ihm die Klippen von Chapman’s Peak bis zum Meer sehen konnte.
In den letzten Wochen hatte sie viele Bilder von Mace Bishop auf dem Tafelberg erhalten.
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