killer country: thriller (German Edition)
standen. »Wären Sie so freundlich?«
Der junge Mann schob seinen Stuhl zurück. »Einen bestimmten?«
»Ich denke, der Pinotage wäre gut – etwas Pfeffriges zur Ente.« Er beobachtete die Bewegungen des Fitnesstrainers. So geschmeidig, so fließend. Das weiße Hemd mit den rosa Streifen, das bei jedem Schritt nach oben wanderte und einen hübschen Hintern in der schwarzen Hose preisgab. Telman Visser stellte sich vor, wie er mit einer Hand über die Rundung dieses Hinterns strich.
»Darf ich Sie zum Abendessen einladen?«, hatte er Ricardo in der vergangenen Woche am Ende einer Sitzung gefragt. Sie waren mehrmals gemeinsam essen gewesen, hatten sich zweimal auf einen Kaffee getroffen. Dann hatte der Richter das Gefühl, er sollte die Dinge nun vorantreiben. Normalerweise wäre er es schneller angegangen, aber er genoss die Verführung des jungen Ricardo. Es hatte etwas Aufregendes, sich nicht hetzen zu lassen. Außerdem war er sich nicht sicher, wie Ricardo eigentlich tickte. Wahrscheinlich vorne und hinten, dachte der Richter.
»Warum können Sie so gut kochen?«, fragte Ricardo und entkorkte den Wein.
Der Korken kam mit einem sanften Plop wie Sex aus der Flasche. Fand zumindest Telman Visser.
»Ich habe einige Kurse besucht. Aber ich habe auch schon immer gern gekocht. Seit ich ein Junge war. Mein Vater hasste die Vorstellung.« Telman blies ein amüsiertes »Hmmm« durch die Nase.
Ricardo brachte die Weinflasche an den Tisch und goss ein wenig in das Glas des Richters, wie er es gelernt hatte.
Der Richter ließ den Wein im Glas kreisen. »Eigentlich hasste er mich. Hasst Ihr Vater Sie, Ricardo?«
»Oh nein«, erwiderte der junge Mann. »Er liebt mich. Das sagt er mir auch immer wieder.«
»Da haben Sie Glück. Es ist nicht schön, wenn einen der eigene Vater hasst. Er hat sogar versucht, mich bei einem Autounfall umzubringen. So landete ich lebenslang im Rollstuhl.« Er probierte den Wein. Sog die Luft ein, die sich über der Flüssigkeit angereichert hatte. Schluckte. »Ausgezeichnet. Versuchen Sie, Ricardo.«
Ricardo goss auch sich ein und nippte an dem Wein. Er nahm dabei keinen ganzen Schluck, wie ihm das der Richter erklärt hatte.
Telman Visser sagte: »Ich schmecke eine gewisse Tiefe. Etwas Kakao und jetzt das Prickeln des Pfeffers. Wunderbar. Vollmundig.«
»Ich weiß nicht«, meinte Ricardo. »Ich kann das nicht rausschmecken.«
»Nehmen Sie noch einen Schluck. Behalten Sie den Wein auf der Zunge … Genau so. Und jetzt lassen Sie ihn da für einen Moment. Atmen Sie dabei sanft durch den Mund ein. Jetzt schlucken, und Sie werden den Kakao schmecken.«
»He, wow, das tue ich«, staunte Ricardo. Grinsend sah er auf den Richter herab, der zu ihm hochblickte. »Unglaublich.«
Die erste Kugel schlug ein Loch in die große Scheibe des Wohnzimmerfensters. Bohrte sich weit oben in die gegenüberliegende Wand. Es regnete Putz auf den Esstisch.
Ricardo ließ Glas und Flasche fallen. Weinspritzer wie Blut besprengten das Hemd des Richters. Leuchtend auf dem blassen Blau des Stoffs. Der Richter duckte sich, wendete den Rollstuhl so, dass er den Fenstern zugewandt war.
Der zweite Schuss war niedriger angesetzt und zerschmetterte die Scheibe. Die Kugel vergrub sich auf Kopfhöhe in der Wand zwischen zwei Kentridges, die zu den Favoriten des Richters gehörten: beides Visionen des Horrors und der Verzweiflung. Beide hatten einen sechsstelligen Wert. Glassplitter fielen nach dem Knall klirrend zu Boden.
Ricardo schrie und stürzte hin.
Der Richter brüllte: »Schweine, Schweine!« Drehte den Rollstuhl noch mehr zum Fenster.
Die dritte Kugel kam wieder höher und bohrte sich oberhalb der Bilderrahmen in die Wand.
Dann Stille.
Dann ein Motorrad, das hastig auf Touren gebracht wurde.
Dann das Bellen eines Nachbarhunds.
»Es ist vorbei«, keuchte der Richter. »Sie sind fort. Er ist fort.« Er drehte den Rollstuhl, um Ricardos Kopf unter dem Tisch zu sehen. Die Augen des Jungen waren vor Angst weit aufgerissen. »Alles in Ordnung? Sind Sie irgendwo verletzt?«
Ricardo schüttelte den Kopf. Sein Mund bewegte sich, aber es kamen keine Worte heraus.
Der Richter erklärte: »Ich glaube, es ist besser, wenn ich jemanden anrufe.« Er suchte in seiner Tasche nach seinem Handy und rief Mace Bishop an.
54
Mace nahm den Anruf in einem Bus entgegen. Neben ihm am Fenster saß eine gewaltige Mama, die eigentlich zwei Plätze hätte reservieren sollen. Er war zwischen ihrem Schenkel und der Armlehne
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