killer country: thriller (German Edition)
daherging und dessen Absätze auf dem Linoleumboden widerhallten. Er wartete mit sechs anderen: einem alten Paar, das sich aneinander festhielt, einer Mutter mit ihrem Kind, einer jungen Frau mit einem Blumenstrauß sowie einem Mann etwa in Spitz’ Alter, der einen Morgenmantel trug und um den Kopf einen Verband hatte.
Die Lifttüren öffneten sich. Einige Leute stiegen aus. Die meisten waren Besucher. Nur ein Mann mit Krücken. Er grüßte den Mann mit dem verbundenen Kopf. Spitz ging um die beiden herum und betrat den Lift. Hörte, wie sie kurz plauderten. Der Mann mit dem Verband beklagte sich, dass es keinen Ort gebe, wo man rauchen könne, ohne dass einen der Wind fast wegblase.
Die Türen schlossen sich. Im ersten Stock stiegen Mutter und Kind aus und blieben etwas orientierungslos im Flur stehen. Die alte Frau sagte: »Die Ambulanz ist den Gang runter, wenn Sie die suchen.« – »Rechts«, fügte ihr Mann hinzu. Die Mutter wandte sich nach rechts, ohne sich für den Hinweis zu bedanken. »Wie unhöflich«, beschwerte sich die alte Frau. Der Mann mit dem Verband kicherte.
Im zweiten Stock stieg nur Spitz aus. Ohne zu zögern steuerte er nach rechts, wie es ihm die Rezeptionistin erklärt hatte. Er hörte das Schließen der Lifttüren. Ein Schild wies ihn in die Richtung der Intensivstation.
Der Korridor war lang. Leer bis auf zwei Pfleger, die eine Bahre auf ihn zuschoben. Spitz trat beiseite und nickte, als sie an ihm vorbeigingen. Die Frau auf der Krankenbahre wirkte ziemlich tot.
Er bog um die Ecke. Kam in einen Wartebereich. Eigentlich hatte er gehofft, dass er sich vorsichtig nähern könnte und eine Gelegenheit hätte, die Lage zu sondieren. Er zögerte. Die Einzigen, die sich hier aufhielten, waren zwei Männer. Security. Nicht zu übersehen. Sie saßen der Tür zur Intensivstation gegenüber. Der eine beschäftigte sich mit einem Computerspiel auf seinem Handy, der andere hatte die Knopfhörer eines iPods im Ohr und blätterte durch ein Magazin. Spitz setzte sich ihnen gegenüber. Stellte die Tasche auf seinen Schoß.
Der Mann mit der Musik nahm den iPod aus seiner Brusttasche und schaltete ihn aus. Spitz fiel auf, dass er blau war – wie der, den er verloren hatte. Der Typ erklärte: »Sie müssen klingeln.«
»Schon in Ordnung«, meinte Spitz. »Man hat mir gesagt, ich soll warten.«
Der andere zuckte mit den Achseln und kehrte zu seiner Musik zurück. Spitz hörte die ersten Töne von When a Man Comes Around . Dachte: Das musste tatsächlich sein eigener iPod sein. Wer war dieser Kerl?
36
Richter Telman Visser saß in seinem Büro und blickte über die Company Gardens zum Parlament hinüber. Die Stadt war wolkenverhangen, auch der Berg, und der Wind fegte heulend um die Häuser. Selbst nach dreißig Jahren Kapstadt ging ihm dieser Wind noch immer auf die Nerven. Bereits den ganzen Tag.
Auf dem Bildschirm seines Laptops eine E-Mail von Sheemina February. Ein kurzer, höflicher Einzeiler, in dem sie sich für seine Unterschrift und sein Verständnis hinsichtlich der frühzeitigen Entlassung bedankte. Eine E-Mail, die eine Stunde zuvor, um siebzehn Uhr fünfzehn, abgeschickt worden war.
Nicht viele Anwälte waren so höflich. Er kannte sonst keinen.
Den ganzen Tag lang hatte er weitere Geschichten über sie in Erfahrung gebracht. Fesselnde Geschichten.
Die Frage war, was sie mit Obed Chocho wollte. Oder Obed Chocho mit ihr.
Ihre E-Mail lenkte Telman Visser jedoch nur vorübergehend ab. Die Tatsache, dass er noch immer nichts von Mace Bishop gehört hatte, belastete ihn. Er musste endlich die Fahrt auf die Farm für das kommende Wochenende festzurren. Die Ungewissheit quälte ihn mehr als der Wind. Nervös klopfte er mit dem Handy auf die Armlehne seines Rollstuhls. Es wäre falsch, den Mann schon wieder anzurufen. Taktisch falsch. Geradezu besessen. So ein Anruf könnte Bishop davon überzeugen, dass er es mit einem Neurotiker zu tun hatte, was ihm das Ganze vielleicht verleiden würde. Richter Visser hatte nicht vor, einen anderen Sicherheitsberater zu suchen. Das würde ihn zu viele Nerven kosten. Bishop war ihm empfohlen worden. Bishop war sein Mann.
»Reiß dich zusammen, Telman«, sagte er laut. »Warte noch fünfzehn oder sechzehn Stunden.«
Anwälte waren Warten gewohnt. Er konnte auch warten, aber leicht fiel es ihm nicht. Er musste sich ablenken. Also klickte er sich durch seine Kontaktliste auf dem Handy, bis er zum Namen seines Personal Trainers kam.
»Ich weiß, dass es
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