Killeralgen
mir bloß nicht, dass Sie schüchtern sind. Hören Sie sich mal an, welche Pläne meine Mutter mit Ihrer Freundin hat. Zuerst wird sie ihr ein Gesichtslifting verpassen. Sie werden sie nicht mehr wiedererkennen, wenn die Transformation abgeschlossen ist.«
Austin hatte genug von Fauchard. Er gab Zavala ein Zeichen, ihm seine Pistole zu reichen, und rutschte dichter an die Wand der Kontrollkabine heran. Indem er seinen eigenen Ratschlag missachtete, zog er den Abzug bis zum Druckpunkt, dann sprang er hoch wie eine Handpuppe, feuerte einmal und duckte sich wieder. Fauchard und seine Männer spritzten auf der Suche nach Deckung auseinander. Sobald sie erkannten, dass kein weiterer Angriff erfolgte, deckten sie abermals die Kabine mit einem Bleiregen ein.
»Diesmal hast du es ihnen aber wirklich gezeigt«, rief Zavala über den Lärm.
»Emil fing an, mir auf die Nerven zu gehen.«
»Hast du ihn erwischt?«
»Emil? Unglücklicherweise nein. Ich habe auch Sebastian verfehlt. Dafür habe ich den Typen neben ihm durchlöchert.«
»Das nenne ich Pech«, sagte Zavala und hob seine Stimme um einige Dezibel. »Trotzdem eine brillante Strategie. Vielleicht geht ihnen gleich die Munition aus.«
Die ersten Kugeln drangen durch den Fußboden der Kontrollkabine. Austin wusste, dass er das Schießen irgendwie beenden und Zeit gewinnen musste. »Hast du ein weißes Taschentuch?«, wollte er von Zavala wissen.
»Das ist aber ein seltsamer Moment, sich die Nase zu putzen«, sagte Zavala und duckte sich, als ein Querschläger von einer Wand abprallte und durch die Kabine pfiff. Er erkannte in Austins Miene, dass er keinen Scherz machte, und sagte: »Ich habe meinen mexikanischen Allzwecklappen bei mir.«
Zavala zog sein Vielzweckhalstuch aus der Gesäßtasche und reichte es seinem Leidensgenossen.
»Das dürfte ausreichen«, sagte Austin. Er band das Halstuch an den Pistolenlauf, schob die Behelfsfahne durch den Türspalt und schwenkte sie hin und her.
Die Schüsse brachen ab. Emils schneidendes Lachen hallte durch den Tunnel.
»Was soll dieser Putzlumpen, Austin?«, fragte er. »Ich lasse mich durch Ihre lächerlichen Tricks nicht verspotten.«
»Ich hatte gerade keine weiße Fahne zur Hand«, rief Austin nach unten.
»Eine weiße Fahne? Machen Sie mir nicht weis, Sie und Ihr Freund seien bereit, sich zu ergeben.«
Austin spitzte die Ohren und lauschte. Er glaubte, ein fernes Flüstern zu hören, ähnlich der Brandung am Strand. Doch seine Ohren summten noch immer von der Schießerei, und er könnte sich seiner Wahrnehmung nicht sicher sein.
»Sie haben mich missverstanden, Fauchard. Ich bin nicht bereit zu kapitulieren.«
»Warum winken Sie dann mit diesem lächerlichen Stück Stoff?«
»Ich wollte mich verabschieden, ehe der Güterzug durch den Tunnel rollt.«
»Haben Sie den Verstand verloren, Austin?«
Das Flüstern hatte sich zu einem leisen, dumpfen Grollen gesteigert.
Emil gab erneut den Befehl zu schießen.
Kugeln flogen ihnen in einem nicht enden wollenden Crescendo um die Ohren. Das konzentrierte Pistolenfeuer fraß sich nach und nach durch die Seitenwände. In wenigen Minuten würde die Kabine nicht mehr Schutz bieten als eine Scheibe Schweizer Käse, dem sie mehr und mehr zu ähneln begann.
Dann hörten die Schüsse abrupt auf.
Die Schützen spürten die Vibrationen. Nun, da die Pistolen schwiegen, hatten auch sie das ferne Grollen wahrgenommen.
Austin stand auf und trat hinaus auf den Laufgang. Emils Gesicht zeigte einen verwirrten, ratlosen Ausdruck. Er schaute hoch, sah, wie Austin zu ihm herabblickte, und wusste, dass er ausgetrickst worden war.
»Sie haben einstweilen gewonnen, Austin«, brüllte er und schüttelte drohend die Faust, »aber das ist nicht das Letzte, was Sie von den Fauchards hören.«
Austin grinste nur, kehrte in die Kabine zurück, packte eins der Beine, die das Steuerpult stützten, und riet Zavala, das Gleiche zu tun.
Emil brüllte einen letzten Fluch, dann machte er kehrt; er und seine Verbrecherbande rannten um ihr Leben. Sebastian schlurfte schwerfällig hinter den anderen her.
Es war zu spät.
Sekunden später erwischte die Welle Fauchard und seine Männer mit explosionsartiger Kraft und wischte sie weg wie ein riesiger Schrubber. Sekundenlang tanzten Köpfe in der eiskalten Gischt, ruderten Arme wirkungslos durch die Luft. Sebastians Gesicht war ein weißer Fleck im dunklen Wasser. Dann war er zusammen mit Emil und seinen Männern schlagartig verschwunden.
Im
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