Killeralgen
Gegensatz zu ihrem vorangegangenen Erlebnis, als Austin und Zavala in der unversehrten, wasserdichten Kabine trocken geblieben waren, ergoss sich das Wasser diesmal durch die zerbrochenen Fenster, überflutete den Kontrollraum und versuchte, Austin und Zavala mit sich zu reißen. Sie klammerten sich jedoch mit aller Kraft an ihren Halt.
Als ihre Lungen jeden Moment zu platzen drohten, versiegte die Hauptwucht der Welle, und das Wasser begann zu sinken.
Sie standen mit zittrigen Beinen auf und schauten durch die teilweise zerschossenen Rahmen, die alles waren, was von den Fenstern übrig geblieben war.
Zavala blickte auf den Fluss hinunter, der unter ihren Füßen dahinströmte. Verblüffung lag auf seinen dunklen Gesichtszügen. »Woher wusstest du, dass die Flut im Anmarsch war?«
»Ich habe in einem anderen Teil des Systems ein paar Schleusentore geöffnet und geschlossen und das Wasser hierher geleitet.«
Zavala grinste und meinte: »Ich hoffe, dass Fauchard und seine Freunde ein für alle Mal weggewaschen wurden.«
»Ich vermute, dass sie sich im Augenblick ein wenig überspült vorkommen«, sagte Austin.
Wie durch ein Wunder war der Monitor in seinem robusten Gehäuse unversehrt geblieben. Austin gab ein paar Tastaturkommandos ein.
Der Wasserspiegel sank, bis der schäumende Fluss nur noch ein bescheidenes Rinnsal war. Beide Männer fröstelten mittlerweile in ihren nassen Sachen. Sie mussten schnellstens das Tunnelsystem verlassen und einen warmen und trockenen Ort aufsuchen, ehe bei ihnen die Unterkühlung einsetzte. Sie kletterten die Leiter hinab. Diesmal versuchte niemand, sie aufzuhalten.
Sie wateten durch den Tunnel, ohne auch nur eine vage Ahnung zu haben, wohin sie unterwegs waren. Aufgrund der Kälte klapperten sie mit den Zähnen. Die Batterien ihrer Taschenlampen wurden schwächer, aber sie ließen sie eingeschaltet, weil sie keine andere Alternative hatten. Gerade, als sie schon jede Hoffnung fahren lassen wollten, erschien vor ihnen ein Objekt.
Zavala stieß einen Freudenschrei aus. »
Fifi!
«
Der Citroën war von der Welle mitgetragen und im Tunnel wieder abgestellt worden. Er war mit Schlamm bedeckt, und der Lack war an mindestens einem Dutzend Stellen abgekratzt, wo der Wagen gegen die Tunnelwände geworfen worden war. Der Lageplan schwamm auf den paar Zentimetern Wasser, die sich im Fußraum gesammelt hatten. Der Schlüssel steckte noch im Zündschloss. Austin versuchte zu starten, aber der Motor des Wagens wollte nicht anspringen.
Zavala fummelte ein wenig unter der Motorhaube herum und meinte, Austin solle sein Glück ein zweites Mal versuchen.
Diesmal startete der Motor.
Zavala stieg in den Wagen und sagte: »Ein Batteriekabel war lose.«
Sie mussten etwa eine halbe Stunde durch die Tunnels fahren, ehe sie eine Vorstellung davon hatten, wo sie sich befanden, dann eine weitere halbe Stunde, um den Rückweg durch das System zu finden. Der Wagen wurde nur noch durch Benzindämpfe im Tank in Gang gehalten, als sie voraus den Schimmer grauen Tageslichts wahrnahmen, und Sekunden später rollten sie aus dem Berg heraus.
»Wohin jetzt?«, fragte Zavala.
Austin brauchte nicht einmal zu überlegen. »Zum Schloss Fauchard.«
40
Als Skye noch ein Kind war, hatte ihr Vater sie zur Kathedrale von Notre Dame mitgenommen, wo sie ihren ersten Wasserspeier gesehen hatte. Die groteske Fratze, die von der Brustwehr zu ihr herabgrinste, sah aus wie ein Monster aus ihren schlimmsten Alpträumen. Sie hatte sich beruhigt, nachdem ihr Vater ihr erklärt hatte, dass diese Ungeheuer aus Stein Wasserspeier genannt würden und ausschließlich dazu dienten, das Regenwasser vom Dach und den Mauern der Kathedrale abzuleiten. Sie hatte sich gefragt, weshalb derart talentierte Bildhauer nicht etwas Schönes hatten schaffen können, dabei aber gleichzeitig ihre kindlichen Ängste überwunden. Nun jedoch, während sie die Augen aufschlug, war die Fratze des Wasserspeiers aus ihren schlimmen Träumen zurückgekehrt.
Noch schlimmer war, dass dieses Ungeheuer sie direkt ansprach.
»Das nenne ich ein freudiges Wiedersehen, Mademoiselle«, sagte der grausame Mund nur wenige Zentimeter entfernt. »Wir haben Sie vermisst.«
Das Gesicht gehörte Marcel, dem Mann mit dem Kugelkopf, der die Privatarmee auf Château Fauchard leitete. Er redete weiter.
»Ich bin in einer Viertelstunde zurück«, versprach er.
»Lassen Sie mich nicht warten.«
Sie schloss die Augen, als eine Woge der Übelkeit durch ihren Körper
Weitere Kostenlose Bücher