Killeralgen
die alten Piloten vor sich hatten, kinderleicht. Stellen Sie sich vor, wie es ist, wenn Sie mit Tragflächen voller Löcher und zerfetzter Bespannung zurück-kommen. Vielleicht sind Sie selbst sogar verwundet und vom Blutverlust geschwächt.
Das
nenne ich eine Herausforderung.«
Austin glaubte, einen Anflug von nostalgischem Neid in Grossets Stimme wahrnehmen zu können. Mit seinen aristokratischen Gesichtszügen und dem dünnen Schnurrbart war der Franzose die ideale Verkörperung der tollkühnen Luftkampfhelden, die die deutschen Schützengräben in totaler Missachtung dichten Flugabwehrfeuers anzugreifen pflegten.
Austin hatte Grosset, den Direktor des Luftfahrtmuseums, angerufen, nachdem er mit Ian MacDougal gesprochen hatte, und ihn gebeten, sich die Bilder von dem Flugzeug im See anzusehen. Grosset hatte sofort seine Hilfe angeboten. Er hatte auch sofort zurückgerufen, nachdem er die Digitalfotos per Internet erhalten hatte, und mit einem ersten vorsichtigen Urteil aufwarten können.
»Ihre Maschine ist in viele Teile zerfallen«, hatte er gesagt, »aber ich stimme Monsieur Ian darin zu, dass es eine Maschine aus dem Ersten Weltkrieg ist, und zwar eine Morane-Saulnier N.«
»Ich fürchte, meine Kenntnisse bezüglich alter Flugzeugtypen sind ziemlich lückenhaft«, hatte Austin erwidert.
»Können Sie mir etwas mehr darüber erzählen?«
»Ich kann sogar noch mehr«, hatte Grosset gemeint. »Ich kann Ihnen diesen Flugzeugtyp
zeigen
. Wir haben in unserem Luftfahrtmuseum eine N.«
Früher an diesem Tag, nach dem Einchecken in sein Pariser Hotel, hatte Austin einen Hochgeschwindigkeitszug bestiegen, der ihn schneller zu dem Museum gebracht hatte, als wenn er mit Grossets Maschine geflogen wäre. Das Museum befand sich in einem Hangarkomplex am Rand eines Flugplatzes, weniger als hundert Kilometer südlich von Paris.
Nach der beeindruckenden Demonstration der Flugfähigkeiten seiner Maschine hatte Grosset Austin auf ein Glas Wein in sein Büro eingeladen. Das Büro befand sich in einer Ecke des Hangars, der mit Flugzeug-Oldtimern gefüllt war. Sie gingen vorbei an einer Spad, einer Corsair und einer Focker und betraten einen kleinen Raum, dessen Wände mit Dutzenden von Flugzeugfotos geschmückt waren.
Grosset füllte zwei Gläser mit Bordeaux und prostete den Gebrüdern Wright zu. Austin schlug vor, auch auf Alberto Santos-Dumont anzustoßen, einen frühen brasilianischen Luftfahrtpionier, der viele Jahre in Frankreich gelebt hatte und von vielen als Franzose betrachtet wurde.
Ausdrucke der Fotos, die Austin an Grosset geschickt hatte, waren auf einem alten Schreibtisch aus Holz ausgebreitet.
Austin griff nach einem Bild von dem Wrack, studierte das geborstene Gerippe und schüttelte staunend den Kopf.
»Ich bin verblüfft, dass Sie das Flugzeug anhand dieses Trümmerhaufens überhaupt identifizieren konnten.«
Grosset stellte sein Glas beiseite und schob die Fotos auseinander, bis er das gesuchte fand.
»Anfangs war ich mir nicht sicher. Ich hatte einen Verdacht, aber wie Sie selbst meinten, ist es ein Trümmerhaufen. Das Maschinengewehr identifizierte ich als ein Hotchkiss, aber die wurden bei fast allen frühen Kampfflugzeugen verwendet. Aber die typische konische Motorabdeckung war ein ziemlich eindeutiger Hinweis. Dann bemerkte ich etwas sehr Interessantes.« Er schob das Foto über den Tisch und reichte Austin ein Vergrößerungsglas. »Sehen Sie sich das mal an.«
Austin betrachtete die abgerundete Form aus Holz. »Es sieht aus wie ein Propellerflügel.«
»Richtig. Aber nicht nur ein Propellerflügel. Sehen Sie hier, an dem Propeller ist eine Stahlplatte befestigt. Raymond Saulnier konstruierte bereits 1914 eine Synchronisationsvorrichtung, die ihm gestattete, mit einem Hotchkiss-Maschinengewehr durch den rotierenden Propeller zu schießen. Manchmal streikte die Munition, daher befestigte er einfache Ablenkplatten aus Stahl an den Propellerflügeln.«
»Davon habe ich schon mal gehört. Eine simple technische Lösung eines komplizierten Problems.«
»Nachdem ein paar Piloten durch Querschläger den Tod gefunden hatten, wurde diese Idee zeitweise verworfen. Dann kam der Krieg und mit ihm die Notwendigkeit, nach neuen Möglichkeiten zu suchen, den Feind auszuschalten. Ein französischer Pilot namens Roland Garros kam mit Saulnier zusammen, und sie rüsteten sein Flugzeug mit Ablenkplatten aus Stahl aus, die so funktionierten, wie sie sollten. Er schaffte einige Abschüsse, bis seine
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