Killeralgen
ein Mann betrat die Kabine. Er war so groß, dass er den Kopf in der Türöffnung einziehen musste. Der Besucher trug einen Overall wie die anderen, außer dass dieser lindgrün war. Er schloss die Tür leise hinter sich und musterte die Gefangenen.
»Bleiben Sie ganz ruhig«, sagte er. »Ich bin einer von den Guten.«
»Dann lassen Sie mich raten«, erwiderte Trout. »Sie sind Kapitän Nemo, und dies hier ist die
Nautilus
.«
Der Mann blinzelte überrascht. Er hatte erwartet, dass die Gefangenen eingeschüchtert wären.
»Nein, ich heiße Angus MacLean«, sagte er mit weichem schottischem Akzent. »
Dr.
MacLean. Ich bin Chemiker. Aber was das Unterseeboot betrifft, haben Sie Recht. Es ist in jeder Hinsicht genauso wundervoll wie das Schiff von Kapitän Nemo.«
»Und sind wir etwa Figuren in einem Roman von Jules Verne?«, fragte Gamay.
MacLean reagierte darauf mit einem tiefen Seufzer. »Ich wünschte, es wäre so einfach. Ich will Ihnen keinen unnötigen Schrecken einjagen«, fuhr er mit ernster Stimme fort, »aber Ihr Leben hängt vielleicht von dem Verlauf unserer Unterhaltung in den nächsten Minuten ab. Bitte nennen Sie mir Ihre Namen und die Art Ihrer Tätigkeit. Ich flehe Sie an, ehrlich zu sein. In diesem Schiff gibt es kein richtiges Gefängnis.«
Die Trouts begriffen sofort, was er damit ausdrücken wollte.
Kein Gefängnis bedeutete keine Gefangenen. Trout blickte in MacLeans blaue Augen und entschied, ihm zu vertrauen.
»Mein Name ist Paul Trout. Das ist meine Frau Gamay. Wir sind beide bei der NUMA. Und dies dort ist Sandy Jackson, die Pilotin der
Alvin
.«
»Und aus welchem wissenschaftlichen Lager kommen Sie?«
»Ich bin Meeresgeologe. Gamay und Sandy sind beide Meeresbiologen.«
MacLeans ernstes Gesicht verzog sich zu einem erleichterten Lachen. »Gott sei Dank«, murmelte er. »Dann gibt es Hoffnung.«
»Vielleicht können Sie mir eine Frage beantworten«, sagte Trout. »Warum wurden wir gekidnappt, und weshalb wurde die
Alvin
gekapert?«
MacLean reagierte mit einem traurigen Lächeln. »Damit hatte ich nichts zu tun. Ich bin hier genauso ein Gefangener wie Sie.«
»Das verstehe ich nicht«, sagte Sandy.
»Ich kann es Ihnen im Moment nicht erklären. Ich kann nur so viel sagen: Wir haben das Glück, dass sie unsere berufliche Erfahrung brauchen. Genauso wie mich werden diese Leute Sie am Leben lassen, solange sie Sie brauchen.«
»Und wer sind
sie?
«, wollte Trout wissen.
MacLean strich sich mit seinen langen Fingern durch sein grau meliertes Haar. »Das zu wissen, könnte für Sie gefährlich werden.«
»Wer immer sie sind«, sagte Gamay, »bitte erklären Sie den Leuten, die uns gefangen genommen und unser Unterseeboot einkassiert haben, dass unser Hilfsschiff in dem Moment, in dem wir vermisst werden, einige Leute nach uns suchen lässt.«
»Sie haben mir erklärt, das stelle kein Problem dar. Ich habe keinen Grund, das anzuzweifeln.«
»Was soll das heißen?«, fragte Trout.
»Keine Ahnung. Aber ich weiß, dass diese Leute in der Verfolgung ihrer Ziele skrupellos sind.«
»Welches sind ihre Ziele?«, fragte Gamay.
Die blauen Augen wurden unergründlich. »Es gibt Fragen, die Sie lieber nicht stellen und die ich nicht beantworten sollte.« Er erhob sich von seinem Stuhl und sagte: »Ich muss das Ergebnis meiner Befragung weitergeben.« Er deutete auf die Lampenfassung in der Decke und legte seinen Finger als unmissverständliche Warnung vor einem versteckten Mikrofon auf die Lippen. »Ich komme in Kürze mit Essen und Trinken zurück.
Bis dahin sollten Sie sich ein wenig ausruhen.«
»Vertrauen Sie ihm?«, fragte Sandy, nachdem MacLean sie wieder alleine gelassen hatte.
»Seine Geschichte klingt verrückt genug, um wahr zu sein«, sagte Gamay.
»Haben Sie irgendeine Idee, was wir tun sollen?«, lautete Sandys nächste Frage, während ihr Blick zwischen den Gesichtern ihrer Leidensgenossen hin und her wanderte.
Trout ließ sich auf seine Koje zurücksinken und versuchte sich auszustrecken, wobei seine langen Beine über den Rand der Matratze hinausragten. Er deutete auf die Lampenfassung und sagte: »Solange niemand anderer diese Koje für sich beansprucht, werde ich MacLeans Rat befolgen und mir ein wenig Ruhe gönnen.«
MacLean kehrte nach etwa einer halben Stunde mit Käsesandwiches, einer Thermosflasche heißen Kaffees und drei Tassen zurück. Noch wichtiger war, dass er lächelte.
»Herzlichen Glückwunsch«, sagte er, während er die Sandwiches herumreichte.
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