KillerHure
Walker.«
Der Austausch von Mails nach einem Auftrag gehört zum Standard. Auch, dass dies nicht direkt nach dem Abschluss geschieht, sondern ein bis zwei Wochen danach. Auf diese Weise habe sowohl ich als auch Antonia Zeit, die direkten Auswirkungen des jüngsten Sterbefalles zu beobachten.
Nicht zum Standard gehört die Bitte um ein Treffen. Das bleibt für sehr ungewöhnliche Dinge oder Probleme reserviert. Seit ich mich als Studentin an der University of London eingeschrieben habe und von hieraus arbeite, gab es keine Zusammenkunft.
Antonia hat keinen Grund, mir zu misstrauen. Bisher habe ich immer einwandfrei funktioniert, alle Aufträge erfolgreich ausgeführt, keinen Verdacht erregt. Aber sie hätte nicht so lange überlebt, wenn sie zu vertrauensselig gewesen wäre. Sie wird immer von mehreren Mitarbeitern mit breiten Schultern und mindestens einem Holster darunter begleitet.
Ich gehe davon aus, dass meine Mail auch von Brens Kollegen mitgelesen wird. Seit ich das unförmige Päckchen aus meinem Briefkasten genommen habe – die Glock war in ihre Einzelteile zerlegt, damit das wattierte Kuvert durch den Schlitz passte – habe ich nichts mehr von denen gehört, und ich rechne vorläufig auch nicht damit. Dennoch werde ich keinen unbeaufsichtigten Schritt machen können, was alles sehr verkompliziert.
Das Problem liegt nicht so sehr darin, Antonia zu erschießen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich durch ihre Abschirmung kommen kann. Danach lebend wieder rauszukommen, darin besteht die eigentliche Herausforderung. Einmal ganz abgesehen von den anderen, geheimeren Zielen, die ich verfolge.
Meine Vorbereitungen sind bereits so gut wie abgeschlossen. Gestern war ich an meinem Baggersee und habe die Pistole eingeschossen. Diese Glock ist ein sehr interessantes Stück: Man kann auf Automatik stellen und damit feuern wie mit einer Maschinenpistole. Zwei Magazine habe ich auf diese Weise geleert, um den Rückschlag auszuprobieren. Vermutlich werde ich diese Funktion aber nicht brauchen. Zu ungenau, und zu verschwenderisch für die Munition. So etwas sieht nur im Film gut aus.
Außerdem habe ich die Umschichtung eines großen Teils meines Vermögens eingeleitet. Das Nummernkonto in Zürich und der Fonds bei der Hamburger Sparkasse bleiben natürlich, da komme ich so kurzfristig nicht dran. Außerdem dürfte das Geld dort einigermaßen sicher sein, ich konnte das vermutlich geheim halten.
Der Löwenanteil meiner Einkünfte aus den letzten Jahren liegt aber noch auf einem Konto bei der russischen Sberbank. Inzwischen fast eine halbe Million Pfund. Ich habe nie viel davon gebraucht, weder für meine Tarnung als Studentin noch für andere Zwecke. Genau genommen mache ich mir nicht viel aus dem Geld. Aber ich brauche ich es wohl demnächst ziemlich dringend und es könnte durchaus sein, dass die Kontakte von Antonias Organisation zur Sberbank gut genug sind, um den Zugriff auf das Konto zu gefährden, sobald mein Verrat offenbar wird.
Per Internet habe ich den Transfer auf sechs andere Banken vorbereitet, verteilt auf ganz Europa. Es fehlt nur noch ein Klick, um die Ausführung zu veranlassen. Den werde ich von Kopenhagen aus senden, sobald ich den Auftrag ausgeführt habe.
Ich verlasse die Wohnung, nur mit einem großen Rucksack und einer Reisetasche. Notebook, zwei Handys, etwas Werkzeug und Ausrüstung, die Muschel, meine Matrjoschka, ein paar Kleider. An der Tür blicke ich kurz zurück. Ich rechne nicht damit, jemals hierher zurückzukehren. Das Zimmer wirkt schon jetzt so neutral, als warte es sehnsüchtig auf den nächsten Mieter.
Mein Studentenausweis mit der Bitte um Exmatrikulation ist per Brief an das Studentensekretariat unterwegs, ebenso die Kündigung der Wohnung. Es fällt mir abenteuerlich leicht, alle Brücken hinter mir abzubrechen, alle Verbindungen zu meinem bisherigen Leben zu kappen. Ich fühle mich heiter dabei und gelöst, als sei diese Hülle bereits zu alt, zu schwer geworden. Eine Bürde, die man gern hinter sich lässt. Immer wieder ertappe ich mich dabei, wie ich tonlos Fragmente meiner Songs vor mich hin summe.
Der Flug dauert knapp drei Stunden von London Heathrow in die dänische Hauptstadt. Ich kaufe mir das Ticket direkt am Schalter des Flughafens und bezahle den Preis in bar. Elektronische Spuren sind mindestens so gefährlich wie physische, aber meine Identität als Jana Walker wird sich in Kürze ohnehin in Luft auflösen. Im Flugzeug sitzt ein jungdynamischer
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