KillerHure
Geschäftsmann mit einer schreiend grünen Krawatte neben mir, der mich fortwährend anlächelt und versucht, ins Gespräch zu kommen. Ich sage ihm höflich, dass ich nachdenken muss und sehe mir stundenlang die vorbeiziehenden Wolken an. Das versetzt mich immer in einen schönen, fast meditativen Zustand, in dem ich an gar nichts denke. Nicht einmal an den Geschäftsmann, der nun ständig verstohlen meinen Körper anstarrt.
Es nieselt bei meiner Ankunft in Kopenhagen. Ich schlage den Kragen meiner hellgrauen Jacke hoch und setze mich ins Taxi, das mich innerhalb von zwanzig Minuten zum »Hotel Centrum« bringt. Ich habe es am Vortag telefonisch gebucht, eine weitere anonyme Mittelklasseunterkunft ohne Charakter. Sobald ich meine Tasche in das kleine Zimmer und die Zahnbürste ins Wasserglas gestellt habe, taugt es als würdiger Nachfolger meiner Wohnung.
Innerhalb einer Viertelstunde verwandle ich mich in eine ganz andere Frau. Dafür sorgt die lange, blonde Lockenperücke, eine getönte Brille und ordentlich Polstermaterial im BH. Brens Kollegen kann ich damit vermutlich nicht täuschen, aber falls Antonia ein Vorauskommando hierher geschickt hat, ist das zumindest ein nützlicher Versuch.
Mein erster Gang führt mich zu dem Ort, wo ich in etwa vierunddreißig Stunden auf Antonia treffen werde. Das »Fisketorvet« ist ein großer, voll verglaster Klotz direkt am Sydhafen, der alten Fahrrinne, die zum Meer hinausführt. Ein typischer 80er-Jahre-Bau, voller Boutiquen, Schnellimbiss-Restaurants, Ramschläden und anderen Einzelhandelsgeschäften.
Das »Kostal« ist ein weiträumig angelegtes Café im Erdgeschoss. Es nimmt mindestens die Hälfte des Foyers ein und bildet eine Art niedriges Amphitheater, da die Randbereiche auf künstlich hochgesetzten Ebenen aus Holzdielen bestehen. Darauf überall kleine Tische in dunkelbraun, scheinbar wahllos verstreut zwischen Rolltreppen, Balustraden und riesigen Blumenkübeln mit Palmen und anderen Großpflanzen darin. Ein guter Platz für Antonia. Ich vermute, sie wird an einem der hohen Bistrotische in der Mitte warten, während ihre Leute von den erhöhten Plätzen ringsum die Umgebung im Auge behalten. Die meisten Läden haben noch auf, und der Platz brummt vor Leuten, die hier einen Abendimbiss einnehmen oder sich mit Freunden für eine Unternehmung am Abend treffen. Um die Mittagszeit wird noch mehr los sein, ich rechne mit einem richtigen Gewusel. Toller Platz für eine Schießerei!
Das größte Problem – abgesehen vom Überleben – besteht darin, mit der Waffe nahe genug an Antonia heranzukommen. Falls mich ihre Gorillas abfangen, nehmen sie mir die Glock ab, und das würde meinen ganzen schönen Plan ins Klo spülen. Also setze ich mich an einen Tisch in der Nähe des Kücheneingangs, bestelle mir auf Englisch ein Schinkensandwich und lasse die Umgebung auf mich wirken. Warte auf gute Ideen.
Die Küche scheint über zwei Stockwerke angelegt zu sein, wie ich durch die sich immer wieder öffnenden Schiebetüren erspähen kann. Kaffee und Getränke werden direkt dahinter gemacht, während die Speisen eine Ebene tiefer, also im Keller, zubereitet werden. Hinter einem Edelstahltisch mit einer Batterie von Kaffeemaschinen ist der Messingknauf eines abwärts führenden Handlaufes zu erkennen. Eine Treppe. Möglicherweise ein nützlicher Fluchtweg.
Links und rechts vom Café stehen die Säulen großer Aufzüge. Voll verglaste Kabinen heben sich den oberen Etagen entgegen oder spucken unten weitere Kauflustige aus, Plastiktüten in der Hand und Handy am Ohr. Ungeeignet.
Querab ein großer Buchladen, auf antik gemacht, mit hohen, künstlich gealterten Buchregalen. Nicht nur ringsum an den Seiten, sondern auch im Innenraum. Das ist interessant. Bücher sind prima als Kugelfang geeignet, das Papier schluckt die Bewegungsenergie besser als manche Stahlpanzerung. Ein potenzieller Rückzugsraum, wenn es ungemütlich werden sollte.
Genervtes Gezische links von mir. Ein Typ mit Krawatte und drei der Servicekräfte unterhalten sich in unterdrücktem Tonfall, dafür mit Händen und Füßen. Mir fällt überhaupt auf, dass das Personal hier recht müde, abgehetzt und desinteressiert aussieht. Alles junge Leute in meinem Alter, die sollten eigentlich noch ein wenig fitter sein. Außerdem fällt mir auf, dass die Auseinandersetzung, inzwischen etwas lauter, auf Englisch geführt wird. Es geht um rush hours, unzuverlässige Studenten und um einen wöchentlichen Terminplan. Das
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