Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Klinikleiter, Neurocil nicht mehr frei zugänglich aufzubewahren, sondern im Giftschrank.
Wochen später hat Thomas Bracht Nachtdienst. Auf der benachbarten Intensivstation liegen drei schwerkranke Patienten, einer von ihnen hatte einen schweren Herzinfarkt, einer leidet seit mehreren Stunden unter Nierenversagen, der dritte liegt im Koma. Für die Nachtschwestern ist es schon an sich belastend, einen Patienten betreuen zu müssen, dem man nicht mehr helfen kann. Aber gleich drei Todeskandidaten – eine solche Situation geht weit über das Erträgliche hinaus.
Die Schwestern wenden sich hilfesuchend an Thomas Bracht, den »Liquidator«, wie ihn viele Kollegen mittlerweile hinter vorgehaltener Hand nennen, weil es während seiner Schichten in den vergangenen Monaten zu auffällig vielen Todesfällen gekommen ist. Die Schwestern bitten ihn, hin und wieder nach den Patienten zu schauen. »Die will ich hier morgen früh nicht mehr sehen«, sagt eine der Kolleginnen scherzhaft. Solche saloppen Bemerkungen gehören zum Umgangston; man will das Leid anderer Menschen nicht so nah an sich herankommen lassen, weil es sonst noch schwerer zu ertragen ist.
Am nächsten Morgen sind die drei Patienten tot, und Thomas Bracht meldet seinen Kolleginnen: »Befehl ausgeführt!« Natürlich ebenfalls im Scherz.
Einige Tage später wird eine Patientin von der Abteilung für längerfristige Rehabilitation auf die Innere Station verlegt. Die 81-Jährige ist sehr blass, fühlt sich nicht gut, verweigert das Essen und will nicht aufstehen. Lebensgefahr besteht jedoch nicht, die ältere Dame soll nur aufgepäppelt werden.
Thomas Bracht hat bereits über zwanzig Patienten zu versorgen und versieht seinen Dienst bis 22 Uhr allein. »Ist die Frau pflegebedürftig?«, fragt er den Stationsarzt beunruhigt. Außer Bettenbeziehen sei nichts weiter zu tun, ist die Antwort. Es soll aber noch ein Bett-EKG gemacht werden. Thomas Bracht möge das Gerät besorgen, sagt der Arzt, der nur noch kurz etwas erledigen und schon bald zurück sein will. Doch es dauert länger als gedacht, denn zunächst müssen bei einem anderen Patienten Fäden gezogen werden, und in der Neurologie randaliert ein junger Mann, der vom Pflegepersonal kaum zu bändigen ist.
Als der Arzt zwanzig Minuten später nach der 81-Jährigen sehen will, liegt sie regungslos im Bett – tot. Damit hat niemand gerechnet. Dem Arzt kommt der plötzliche Herzstillstand der Patientin verdächtig vor. Als er die Verstorbene genauer untersucht, bemerkt er einen frischen Einstich am rechten Handrücken. Jemand muss der Frau kurz vor ihrem Tod eine Injektion verabreicht haben. Nur wer?
Auf den Totenschein schreibt er »unklare Todesursache«. Noch am selben Abend informiert der Stationsarzt die Klinikverwaltung. Daraufhin wird der Verstorbenen Blut abgenommen, um festzustellen, ob ihr Tod auf ein Medikament zurückzuführen ist, gegebenenfalls überdosiert. Kaum ist der Klinikchef informiert, beruft er sofort eine außerordentliche Betriebsleitungssitzung für den nächsten Tag ein. Der Verdacht, es könnte jemand beim Sterben nachgeholfen haben, wird dort nach kurzer Erörterung als gravierend eingestuft. Als die Klinikleitung daraufhin die Kripo benachrichtigt, wird aus dem Verdachtsfall ein Kriminalfall.
Zum Mordfall wird die Sache, als das Ergebnis der Obduktion vorliegt: Das Opfer ist nämlich an einer Überdosis Digitoxin gestorben. Dieses Medikament wird üblicherweise bei Patienten mit einer Herzmuskelschwäche gegeben, um die Herzkraft zu steigern und das Herz effizienter arbeiten zu lassen.
Schnell kommt man auf Thomas Bracht als Verdächtigen, da er das Opfer als Letzter betreut hat. Die Kripo nimmt ihn fest und konfrontiert ihn mit dem Vorwurf, die ältere Dame getötet zu haben. Thomas Bracht bestreitet anfangs, etwas mit den Todesfällen zu tun zu haben, doch bereits einige Stunden später knickt er ein. Als Motiv für die Tötung gibt er an, überfordert gewesen zu sein. Er habe durch eine akute Erkrankung der Patientin lediglich zusätzliches Personal »herbeirufen« wollen. Es sei ihm keinesfalls um die Tötung der Frau gegangen, er habe ihren Gesundheitszustand »nur verschlechtern« wollen.
Nach diesem ersten noch verschwommenen Geständnis vermutet die Kripo, Thomas Bracht könnte noch weitere Taten begangen haben, zumal jetzt auch herauskommt, dass gegen ihn bereits seit längerem der Verdacht bestand, Patienten unerlaubt Medikamente verabreicht zu haben. Schließlich
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