Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
erkennbar.
Schließlich verständigen sich die Experten auf einige Persönlichkeits- und Verhaltensmerkmale, die den Serienmörder kennzeichnen: »männlich und Geburtsjahrgang 1963 bis 1974; Einzeltäter mit Ortskenntnissen hinsichtlich der Schullandheime und ortssicheres Verhalten; Erfahrung im Umgang mit Kindern kombiniert mit der Fähigkeit, manipulativ auf Kinder einzuwirken (durch Tätigkeit im beruflichen, familiären oder Freizeitbereich); fehlende Empathie, pseudo-einfühlsames Verhalten; Mittelpunkt der Lebensaktivitäten im Großraum Bremen; mobil, hat Zugriff auf Fahrzeuge; grundsätzlich sozial integriert und angepasst, berufliche Einbindung im Rahmen eines scheinbar angepassten Lebens ist wahrscheinlich; durchschnittliche bis überdurchschnittliche Intelligenz; flexibles und zielgerichtetes Handeln auch in Stresssituationen; Risikobereitschaft (eventuell verdrängt der Zwang, die Tat begehen zu »müssen«, das Risiko); pädophil (Präferenz für Jungen im vorpubertären Alter); allein lebend – wenn in einer Partnerschaft, dann eher in einer homosexuellen statt in einer heterosexuellen«.
Ein erster erfolgversprechender Ermittlungsansatz ergibt sich für die Soko »Kevin« aufgrund der Aussage eines Jungen, der Anfang August 1999 in jenem Schullandheim, das Kevin Golombek beherbergt hat, sexuell missbraucht wurde. Das Opfer war nachts von einem maskierten Mann geweckt worden, ohne dass die anderen Kinder im Zimmer etwas mitbekamen. Der Junge wurde aus dem Schlafraum geführt und missbraucht. Danach schickte der Täter das Kind zurück auf sein Zimmer und drohte, es zu töten, sollte es ihn verraten. Der Junge hielt sich an die Schweigeverpflichtung des Mannes und offenbarte sich seinen Eltern erst ein Jahr später, als wiederum ein Aufenthalt in dem Schullandheim anstand.
Die Ermittlungen verliefen damals im Sande, allerdings konnte das Opfer den Täter beschreiben. Und weil die Vermutung naheliegt, dass zwischen dem Missbrauchsfall und dem Mord an Kevin Golombek eine Verbindung besteht, geht die Kripo an die Öffentlichkeit. Gefahndet wird nun nach einem etwa 1,70 Meter großen und Hochdeutsch sprechenden Mann mit einer kräftigen Statur, der zur Tatzeit eine glänzende, schwarze, hüftlange Lederjacke mit einem rauen, hell abgesetzten Aufnäher am rechten Oberarm und eine schwarze, geschnürte Lederhose trug, vermutlich Motorradbekleidung. Die Gesichtsmaske soll aus gestricktem Material gewesen sein und Löcher für Augen, Nase und Mund gehabt haben.
Im Laufe der nächsten Wochen und Monate gehen zahlreiche Hinweise aus der Bevölkerung ein, die Ermittler müssen mehr als 600 Spurenakten anlegen. Die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung ist groß, die Angst, das eigene Kind könnte in Lebensgefahr geraten, aber auch. Die Fahndungsseite der Soko »Kevin« im Internet wird ebenfalls gut besucht, allein im September werden mehr als 12 000 Zugriffe gezählt.
Nichts bleibt unversucht, um den mysteriösen Täter möglichst bald aufzuspüren. Allerdings will man auch einer zu befürchtenden weiteren Tat vorbeugen. Deshalb bieten die Polizei- und Schulbehörden der Region für Nachfragen verunsicherter Eltern, Lehrer und Betreiber von Schullandheimen gezielte Beratung an, dazu gehören auch eine Schwachstellenanalyse und die Aufklärung über moderne Schließanlagen, bewegungsgesteuerte Lichttechnik und verdeckte Videoüberwachung.
Am 27. September erreicht die Soko »Kevin« ein anonymer Brief, der einen Tag zuvor in Lübeck abgestempelt und auf nicht mehr gebräuchlichem Briefpapier der Ibis-Hotelkette geschrieben worden ist. »Kevin wurde vermutlich schlafend aus dem Raum in das Zimmer des Täters getragen, dort ausgezogen und berührt«, schreibt der unbekannte Absender. »Kevin ist aufgewacht und drohte zu schreien. Dann wurde er mundtot gemacht. Mit Sicherheit wurde er in einer Decke zum Auto getragen. Nach 40 km am Fundort abgelegt. Daraufhin fuhr der Täter zurück.«
Der Verfasser des fast telegrammartig knappen Schreibens könnte den Täter kennen und über Detailkenntnisse der Tat verfügen, schlussfolgern die Ermittler. Ihrer Vermutung nach ist er ernsthaft an der Aufklärung des Verbrechens interessiert, sieht sich jedoch wegen einer familiären oder intimen Beziehung zum Täter daran gehindert, seine Identität preiszugeben. Nun setzen intensive Ermittlungen ein, um den Hinweisgeber ausfindig zu machen.
Am 22. November 2001 findet in den Räumen der Polizeiinspektion Osterholz eine
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