Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Schlafsack) bis zu den Knien aufgeschlagen. Er roch nach Rasierwasser und hat mich am Oberkörper gestreichelt. Ich hab gesagt: ›Was willst du überhaupt, hör doch auf!‹ Und er hat geantwortet: ›Ich will dir ein Ohr abschneiden!‹ Dann ist er verschwunden.«
Die Ermittler ziehen in Betracht, dass es durchaus eine Verbindung zu dem Mord an Patrick Jürgens geben könnte, allerdings liegen zwischen den Ereignissen drei Jahre, und das Täterverhalten unterscheidet sich deutlich. Der Fall wird trotzdem nicht zu den Akten gelegt, sondern weiter verfolgt.
»In den ersten Jahren hat meine Frau akzeptiert, dass ich mich so in die Sache verbeiße. Sie wollte ja auch, dass die Sache aufgeklärt wird. Meine Frau wollte sich damit nur nicht so intensiv beschäftigen, bei ihr lief es mehr auf Verdrängung hinaus. Irgendwann hat sie dann die Geduld verloren und mich gebeten, endlich einen Schlussstrich zu ziehen. ›Es geht nicht mehr so weiter, dass du so oft nicht mal ansprechbar bist‹, hat sie gesagt.«
Auch in den folgenden Monaten gelingt den Ermittlern kein Durchbruch. Stillstand. Wie bei den Ermittlungen im Fall Tobias Mohn. Dessen Vater fühlt sich von Kripo und Staatsanwaltschaft auch jetzt noch nicht ausreichend ernst genommen, er kann nicht verstehen, warum alles so unendlich lange dauert, warum man dem Täter nicht auf die Spur kommt. Zudem wird er nun auch von einem anderen Gedanken bedrängt.
»Der Mord wäre wohl nicht passiert, wenn wir Tobias nicht ins Internat gegeben hätten. Diese Überlegung hat meine Frau und mich schon beschäftigt. Waren wir etwa mitschuldig am Tod unseres Sohnes? Letztlich haben wir in dem Mord an Tobias ein außergewöhnliches und unvorhersehbares Ereignis gesehen, das wir niemals hätten verhindern können.«
Manfred Mohn wollte sich bisher nicht auf die Bemühungen der Ermittlungsbehörden verlassen, er ist selbst initiativ geworden, hat Denkanstöße gegeben, neue Ermittlungsansätze formuliert, auch Arbeitshypothesen der Kripo widerlegt, sich sogar mit den Kriminalexperten angelegt und überworfen. All das hat viel Kraft gekostet und am Ende doch zu nichts geführt. Manfred Mohn resigniert schließlich und lässt den Dingen, die er nicht mehr beeinflussen zu können glaubt, ihren Lauf. Dafür tröstet er sich mit der Vorstellung, dem Mörder seines Sohnes irgendwann doch gegenüberzustehen.
»Ich habe mir eine Rede ausgedacht, die ich halten wollte, wenn man den Täter vor Gericht stellen würde: ›Es geht in diesem Fall nicht darum, dass ein Übeltäter geläutert und resozialisiert werden soll. Es geht allein darum, diese Kreatur für immer zu beseitigen. Und deshalb muss er bis zu seinem Tode eingesperrt werden!‹«
Am 5. September 2001, einem Mittwoch, verschwindet zwischen Mitternacht und 7 Uhr ein 9-jähriger Schüler aus einem Schullandheim im Landkreis Cuxhaven. Kevin Golombek gehört zu einer Gruppe von Kindern, die sich auf Klassenfahrt befinden. Ein Lehrer hat frühmorgens sein Fehlen bemerkt. Die Kripo geht nicht von einem gewöhnlichen Vermisstenfall aus, denn der Junge hat das Schullandheim nur mit seinem Schlafanzug bekleidet verlassen. Zudem hat keines der fünf anderen Kinder auf seinem Zimmer etwas von seinem Verschwinden mitbekommen. Überhaupt gibt es nur einen Hinweis darauf, was in der Nacht passiert sein könnte: ein offenstehendes Fenster. Deshalb wird bereits wenige Stunden nach dem Verschwinden des Jungen eine intensive Öffentlichkeitsfahndung eingeleitet.
Beamte der Bereitschaftspolizei durchkämmen die Umgebung, ein Foto des Jungen wird im Internet veröffentlicht. Als Kevin auch in den nächsten Tagen nicht gefunden wird, setzt die Bezirksregierung Lüneburg eine Sonderkommission ein.
Der Kripo gelingt es, die vergangenen Tage im Leben des Jungen zu rekonstruieren: Kevin kam am 3. September in das Schullandheim, der Aufenthalt sollte eine Woche dauern. Am Tag seines Verschwindens spielte der Viertklässler mit anderen Kindern in einem Waldgebiet, unweit des Schullandheims. Nach dem Abendessen wurde vorgelesen, um 21 Uhr war Bettruhe. Eine Lehrerin ging noch durch die Zimmer und fotografierte die Kinder, auch Kevin. Die Frau konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, dass schon bald aus dem Erinnerungsfoto ein Fahndungsfoto werden würde.
Die Suchmaßnahmen werden in den nächsten Tagen intensiviert, bis zu 500 Polizisten und 40 Hundeführer durchkämmen weiträumig das Gebiet um das Schullandheim. Die Wasserschutzpolizei sucht die Seen
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