Killerinstinkt: Serienmördern auf der Spur (German Edition)
Pressekonferenz der Soko »Kevin« statt. Und was die Ermittler den zahlreich erschienenen Pressevertretern mitteilen, ist spektakulär und besorgniserregend zugleich: Der Mord an Kevin Golombek soll zu einer Serie von Missbrauchsfällen gehören, die sich seit 1992 in Norddeutschland ereignet haben. Das hätten vergleichende Analysen der Fallanalytiker ergeben, versichern die Ermittler.
Es geht um eine Reihe von Missbrauchstaten, die insbesondere in der Region östlich von Bremen verübt wurden, und um zwölf ähnliche Fälle in Schullandheimen und einer Jugendherberge, vor allem in der Nähe von Zeven und Wulsbüttel. Hinzu kommen weitere sexuelle Übergriffe an Jungen in Zeltlagern im Kreis Cuxhaven und Selker Noor bei Schleswig sowie in Einfamilienhäusern in Bremen. Die Kripo ermittelt nunmehr in 24 Fällen des sexuellen Missbrauchs an Kindern, ausnahmslos Knaben.
Die Aussagen der Opfer verraten den Spezialisten viel über die Vorgehensweise des Täters. So berichtete beispielsweise ein 10-Jähriger, der in Wulsbüttel überfallen worden war: »Der Mann hat mir gesagt, dass er ein Messer dabeihat, und wollte, dass ich mit ihm komme. (…) Durch das Zimmerfenster kam ein wenig Licht rein, so dass ich irgendwann die Umrisse von dem Mann erkennen konnte. (…) Der Mann hatte eine Taschenlampe dabei und hat mir einmal voll ins Gesicht geleuchtet, danach konnte ich erst mal überhaupt nichts mehr sehen.
Wir sind dann zur Tür gegangen. Ich vorweg und der Mann hinter mir her. (…) Dann habe ich nach meiner Lehrerin gerufen. (…) Der Mann hat mir von hinten den Mund zugehalten. (…) Er war auf keinen Fall dick, sondern eher wie ein durchtrainierter Athlet. Er hatte so eine Maske über dem Gesicht, einen Strumpf oder so, auf jeden Fall waren die Augen frei. Nachdem wir kurz im Flur standen, kam auf einmal meine Lehrerin aus ihrem Zimmer, und da ist der Mann abgehauen.«
Zu den Fällen, die nach Ansicht der Fallanalytiker in Zusammenhang mit dem Fall Kevin stehen, gehören auch die Morde an Tobias Mohn und Patrick Jürgens. Überdies wird dem unheimlichen Serientäter die Tötung eines Jungen in den Niederlanden zugerechnet, der am 10. August 1998 aus einem Zeltlager bei Brunssum verschwand und am nächsten Tag einen Kilometer entfernt in einer Fichtenschonung tot aufgefunden wurde, notdürftig zwischen eng stehenden Bäumen versteckt. Die Todesursache konnte nicht eindeutig geklärt werden, jedoch geht die Kripo auch hier von Erwürgen beziehungsweise Ersticken aus.
Marc Overmas starb drei Monate vor seinem 12. Geburtstag und hielt sich während einer Klassenfahrt mit etwa vierzig anderen Kindern im Jugendcamp De Heikop auf, das innerhalb eines öffentlich zugänglichen Ferien- und Wandergebietes wenige Kilometer von Heerlen entfernt liegt und über eine Autobahn schnell zu erreichen ist. Marc war ein ausgesprochen fröhlicher Junge und begeisterter Sportfan. Er hatte sich sehr auf den Ferienaufenthalt im Jugendcamp gefreut: jeden Tag Sport und Spiele. Allerdings verriet der Junge seiner Mutter auch, dass er sich im Camp nachts allein fürchtete, und wollte jeden Abend abgeholt werden. Doch seine Mutter war dagegen und konnte ihn schließlich überzeugen, doch im Camp zu übernachten.
Marc schlief mit einem anderen Jungen in einem Zwei-Mann-Zelt. Kurz vor seinem Verschwinden kam es zu einem kleinen Disput zwischen den Freunden, woraufhin Marc das Zelt verließ, angeblich, um zur Toilette zu gehen. Danach wurde er nicht mehr gesehen.
Die Fallanalytiker glauben, den Serienmörder, der bislang nur in Deutschland zugeschlagen hat, auch bei diesem Verbrechen an seiner Vorgehensweise erkannt zu haben: Denn wieder wurde ein Junge aus einem Zeltlager entführt und später tot aufgefunden. Die hohe Wahrscheinlichkeit einer Verbindung aller Knabenmorde leiten die Experten aber auch aus der Tatsache ab, dass es im Vergleichszeitraum in Europa nicht einen einzigen Kindermord gegeben hat, der ein ähnliches Muster erkennen lässt.
»Ich hatte da so meine Zweifel, dass dieser Fall zur Serie gehören könnte. Marc musste seinem Mörder zufällig auf dem Weg zur Toilette begegnet sein. Der Täter dürfte also aus einer Augenblickssituation heraus gehandelt haben. In den anderen Fällen sollen die Opfer ja vorher beobachtet worden sein. Das war für mich ein bedeutender Unterschied im Verhalten des Täters. Aber die Kripo war anderer Meinung.«
Das Erkennen der Tatzusammenhänge hat die Ermittler einen großen Schritt
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