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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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hatte ihr mein Geschenk am Nachmittag überreicht – ein preiswertes Halskettchen und eine neue Ausgabe von
Frühstück bei Tiffany,
ein Buch, das sie liebte –, musste sie aber danach allein lassen.
    Um ein Uhr nachts war ich fertig mit Arbeiten und lief, so schnell ich konnte, in die Stadt zurück. Es war Januar und mehr als kalt. Ich hatte mit den anderen Mädchen im Haus geredet, und sie hatten gesagt, sie würden eine Party für sie schmeißen, doch entweder war es nicht dazu gekommen, oder sie hatte sich geweigert, daran teilzunehmen. Es brannte nur ein einziges Licht im Haus. Ihr Zimmer lag im Erdgeschoss, zur Straße, und es hatte dieses große Fenster. Ich stand draußen und sah sie an ihrem Schreibtisch sitzen. Sie hatte den Kopf auf die Arme gelegt und schlief. Sie trug die besten Kleider, die sie hatte.
    Sie hatte gewartet, und er war nicht gekommen.
    Ich war jung und verstand noch nicht viel von der Welt, doch ich begriff, dass das gemein, schlecht und unrecht war und absolut unerträglich. Ich stand zehn Minuten da, mir war viel zu kalt, um zu zittern, und ich wusste einfach nicht, was ich machen sollte.
    Dann kehrte ich um und ging nach Hause, um zu sehen, was ich auftreiben konnte. Ich wusste, dass es nicht viel sein würde, geschweige denn genug, doch es war alles, was ich hatte und was ich tun konnte.
    Um sechs ging ich wieder zu ihr und trat ans Fenster. Sie saß immer noch schlafend an ihrem Schreibtisch. Ich klopfte leise ans Fenster. Sie wachte auf. Sie schaute durch die Scheibe, sah, dass ich es war, und ihre Enttäuschung währte nur einen Moment. Ich machte ihr Zeichen, herüberzukommen.
    Sie tat es und schob das Fenster hoch. »Er ist nicht gekommen.«
    »Aber ich.«
    »Was hast du da an?«
    Die Antwort war die schwärzeste Jeans, die ich besaß – leider auch diejenige mit dem Riss an einem Knie –, dazu ein weißes Hemd, das einem meiner Mitbewohner gehörte, und ein zerknautschtes schwarzes Jackett, plus eine Krawatte, die ich mir vor einer Stunde aus einem Streifen eines dunklen T-Shirts gemacht hatte.
    »Ist von Armani«, sagte ich. »Im Ernst. Hab ich mit Edding auf den Kragen geschrieben.«
    Sie versuchte zu lächeln.
    »Komm schon«, sagte ich. Sie kletterte durchs Fenster nach draußen. Ich nahm sie bei der Hand und führte sie die Straße rauf. Es war noch vollkommen dunkel, und als wir in die Main Street kamen, hatte noch alles geschlossen – außer dem Laden, zu dem ich wollte. Ich kam mir ziemlich dämlich vor und wusste, dass es eine Bauchlandung werden könnte, doch ich wusste auch, dass ich zu mehr nicht in der Lage war und ich dieses Mädchen genug liebte, um das Risiko einzugehen.
    Endlich hatten wir unser Ziel erreicht.
    »Bill, wieso sind wir … hier?«
    »Weil ich einen Tisch für uns reserviert habe«, sagte ich.
    Ich führte sie zur Tür. Der McDonald’s war menschenleer, auch wenn er offiziell geöffnet hatte. Es brannten nur die Hälfte der üblichen Lichter. Ein Angestellter mit käsigem Gesicht stand gähnend hinter einer der Kassen.
    »Bill …«
    »Scht«, sagte ich. Aus einer Seitentür kam der Manager, ein Typ namens Derek, ein älterer Student und Weltklassen-Junkie, mit dem ich bei meinem letzten Job zusammengearbeitet hatte und der mir was schuldete, weil ich ihn tausend Mal gedeckt hatte. Als ich ihn um vier Uhr angerufen hatte, war er stinksauer, ließ sich am Ende aber doch überreden, mir zu helfen.
    »Ma’am«, sagte er mit einer krächzenden Stimme, wie der einer Krähe, die am Abend zu tief ins Glas geschaut hatte. Er räusperte sich, machte einen zweiten Anlauf. »Ihr Tisch wartet schon auf Sie.«
    Er deutete hinter uns, und Steph sah, dass auf dem Ecktisch am Fenster zwei Kerzen brannten. Ich hatte sie in der Küche bei mir zu Hause unter dem Spülstein gefunden. Ich hatte keine Ahnung, wie lange sie schon dort waren, und eine war acht Zentimeter länger als die andere. Sie standen gerade in zwei Weingläsern, die ich ebenfalls mitgebracht hatte. Das »Silberbesteck«, aus dem gleichen Fundus und eigentlich aus Blech, war ein wenig verbogen und angelaufen.
    Wir gingen zu dem Tisch und setzten uns einander gegenüber. Derek brachte uns etwas zu essen, wir aßen. Wir redeten, und als Derek uns das Restaurant nicht länger allein überlassen konnte und die Lichter sowie die Musikberieselung anmachte, spielten sie als ersten Song Shania Twain mit »You’re Still the One«. Manchmal kommt es so, und endlich lachte Stephanie, es war der

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