Killerspiel
was der Arzt gesagt hatte. »Ich bin ja da, Liebling.«
Ihre Augenlider zuckten, bevor sie sich öffneten. Sie schafften es nur halb und nicht beide gleich schnell. Eins war schon wieder dabei, sich zu schließen, doch sie riss sich zusammen, und es ging langsam wieder auf. Sie erinnerte mich an eine Puppe, bei der die Batterie ausgegangen war.
»Hey du«, sagte sie.
Ihre Stimme war ganz leise. Sie sagte noch etwas, doch das konnte ich nicht hören.
Ich beugte mich weiter über sie. »Liebling – ich hab dich nicht verstanden.«
»Tut mir leid«, sagte sie. Es war immer noch ein leises Murmeln, doch ihre Stimme klang ein wenig kräftiger und nicht mehr so heiser.
»Was denn?«
»Vergeigt.«
»Nein, Unsinn«, sagte ich, auch wenn ich nicht wusste, ob es stimmte oder nicht.
»Doch.«
»Ist … doch keine große Sache.«
Sie nickte oder versuchte es zumindest, und jetzt wirkte ihr Blick energischer. »Doch.«
»Was ist denn eigentlich passiert?«
Ihre Mundwinkel verzogen sich nach unten, und sie wandte den Blick ab. Sie sah unglücklich aus, und mir wurde das Herz schwer.
»Steph, schon gut. Was auch immer es ist, es ist schon in Ordnung.«
»Hab mit Sukey getrunken. Gefeiert, und ich war immer noch sauer auf dich, und … ich hab einfach viel zu viel getrunken.«
»Und?«
»Hab nicht mit ihm geschlafen.«
Irgendwie fühlte ich mich nach diesem Leugnen schlimmer als vorher. »Und was
habt
ihr getan?«
Sie zog kaum merklich die Schultern hoch und ließ sie wieder sinken. Es war wohl ein Achselzucken. Ich nickte. Sie sah, wie ich nickte.
»Ist schon gut«, sagte ich, »wir reden später darüber. Wir … kriegen das schon irgendwie auf die Reihe. Alles lässt sich wieder auf die Reihe bringen, stimmt’s? Aber im Moment geht’s dir zu schlecht. Und ich muss noch etwas erledigen.«
Sie schien besorgt, und mir wurde klar, wie sie die Bemerkung verstanden hatte. Es tat weh, dass sie über die Aussicht besorgt war. »Hat nichts mit ihm zu tun«, sagte ich dumpf. »Der ist mir egal. Es ist was anderes.«
»Bedeutet mir nichts, Nick.«
»Ich glaube dir«, sagte ich, auch wenn ich mir nicht sicher war. Wann hätten diese Dinge schon mal nichts zu bedeuten gehabt? Wie belanglos sie auch scheinen, sie bedeuten immer etwas. Man wendet sich – egal, wie kurz – von dem geliebten Menschen ab, und wenn man wieder hinsieht, ist alles anders.
Ich hab nichts dagegen,
hatte Cassandra gesagt, mitten in der Nacht.
»Liebe dich«, murmelte Steph. Ihre Augen verschwammen.
»Ich dich auch. Ruh dich aus. Ich komm bald zurück, in Ordnung?«
Sie nickte noch irgendwie, war aber schon wieder halb eingeschlafen.
Ich betrachtete sie noch einmal und wandte mich dann zur Tür. Ich hatte schon fast die Hand an der Klinke, als sie sich wieder meldete.
»Erinnerst du dich an das Frühstück bei McDonald’s?«
Ich drehte mich um. Sie hatte die Augen offen.
»Sicher, klar«, sagte ich. »Natürlich, Schatz. Das sind wir. Das macht uns aus.«
Sie sagte nichts. Sie sah mich nur traurig an.
Ich kam wieder nach draußen in eine abscheulich stickige Luft zurück, die nur darauf wartete, was die Wolken entladen würden. Ich fuhr den Tamiami Trail zurück und bog eine halbe Meile, bevor ich im Zentrum war, auf den Parkplatz eines Chieftain-Lebensmittelladens ab. Ich kaufte mir eine Packung Marlboro Light und eine Schachtel Streichhölzer. Ich lehnte mich ans Heck meines Wagens und rauchte eine Zigarette. Als ich fertig war, zog ich mein Handy heraus und rief Tony Thompson an.
»Bill Moore«, sagte ich, als er sich meldete.
»Okay.«
»Sie erinnern sich an diese Flasche Wein, die ich Ihnen mitgebracht habe?«
»Ja.«
»Trinken Sie den nicht.«
»Okay«, antwortete er.
»Sie sind offenbar nicht überrascht, von mir zu hören, Mr. Thompson. Nicht mal von dem, was ich gerade gesagt habe.«
»Ich glaube, wir zwei müssen uns unterhalten«, erwiderte er.
Auf halbem Wege zu The Breakers öffnete der Himmel alle Schleusen. Es schüttete so heftig, dass die Scheibenwischer nicht mithalten konnten und ich rechts ranfahren musste. Ich saß da, horchte, wie es aufs Dach trommelte, und blickte ins nasse Zwielicht hinaus.
Stephanie und ich hatten uns in Pennsylvania am College kennengelernt. Wir waren nicht das offensichtliche Traumpaar, und es dauerte eine Weile, bis wir Notiz voneinander nahmen. Sie kam aus einem reichen Elternhaus – gewissermaßen: Sie kam aus einem ehemals reichen Elternhaus. Ihr Vater war
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