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Killerspiel

Killerspiel

Titel: Killerspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marshall
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wie ich gekommen war. Wenn Karren wer weiß wie lange mit einem Kunden zusammen war, gab es eigentlich keinen vernünftigen Grund für mich, noch länger im Büro zu bleiben. Wenn wir niemanden haben, dem wir etwas vormachen können, fühlt sich unser Leben – dieses Chaos an Unfertigem, Vorläufigem in unserem Kopf – seltsam und dunkel an. Was Janine dachte, war mir egal. Was sollte ich also machen? Wieder gehen? Würde das nicht seltsam wirken? War das wichtig? Würde es Janine überhaupt mitbekommen? Sobald man sich fragt, was es heißt, sich normal zu verhalten, steht man vor einem Rätsel. Ich fühlte mich ausgeliefert, verloren. Ich fühlte mich wie eine Figur in einem Computerspiel, die vom Kurs abgekommen und auf einen Nebenschauplatz geraten war, von wo sie ein Leben lang versuchen konnte, wieder herauszukommen, ohne dass es die geringste Auswirkung auf die eigentliche Mission hatte. Worin auch immer diese bestand.
    »Alles in Ordnung, Bill?«
    Ich war plötzlich neben meinem Schreibtisch stehen geblieben und hatte die Wand angestarrt. Ich blickte mich um und sah Janines besorgtes, einfältiges Gesicht.
    »Ja«, sagte ich. »Nur rasende Kopfschmerzen.«
    Das war nicht gelogen, und ich fühlte mich ein ganz klein wenig schlecht, als Janine in ihrer Schublade kramte, tatsächlich ein paar Schmerztabletten fand und darauf bestand, mir ein Glas gekühltes Wasser aus dem Spender zu holen. Es war nicht mit anzusehen, wie lange sie dazu brauchte, indem sie den ersten Pappbecher zerdrückte, den zweiten mit äußerster Vorsicht füllte, dann jedoch auf dem Weg zu mir ein Drittel verschüttete. Sicher, ich konnte an ihr vorbeipreschen und aus dem Büro verschwinden, aber konnte ich in dem Fall auch wieder zurückkommen? Am Ende nahm ich das Wasser dankend entgegen und trank es.
    Dann kam mir plötzlich ein Gedanke. »Wieso bist du eigentlich an einem Freitag da?«
    »Oliver hat Kyle abgeholt«, sagte sie stolz. »Quasi ein Tag mit Daddy. Und ich war zu Hause und dachte mir, na ja, es gibt immer noch so viel, womit ich mich auf dem Computer nicht auskenne, wieso komm ich nicht her und seh mir die Sachen mal an? Freitag ist ja immer ruhig – vielleicht krieg ich einiges geschafft.«
    Ich staunte. Noch vor ein paar Tagen wäre ich aufrichtig beeindruckt gewesen. Ich reagierte so, als wäre ich immer noch dieser Mensch. »Das ist ja toll. Ach, eh ich’s vergesse – du behältst doch alle deine E-Mails, oder?«
    »Natürlich. Ich meine, ich verliere ein paar, aber an sich schon.«
    »Könntest du vielleicht diejenige raussuchen, in der ich dich bitte, diese Reservierung bei Jonny Bo’s für mich zu machen?«
    Sie sah mich argwöhnisch an. Es gab viele Dinge in Verbindung mit dem Computer, die Janine argwöhnisch machten oder verwirrten. »Na ja, vermutlich schon. Aber wieso?«
    »Ich wollte nur was Technisches überprüfen, ’ne Kleinigkeit, nur ein Detail. Könntest du die wohl raussuchen und noch mal an mich weiterleiten? Am besten an meine private E-Mail-Adresse?«
    »Sicher. Ich weiß inzwischen, wie das geht.«
    »Wunderbar. Ach, verflixt – da fällt mir gerade ein … hätte ich glatt vergessen. Muss noch mal los, bin in zehn Minuten zurück, okay?«
     
    Sie ließen mich zwanzig Minuten an der Rezeption warten. In der Zwischenzeit rief ich im Krankenhaus an, um mich wieder nach Steph zu erkundigen, und erfuhr, ihr Zustand sei unverändert, nur hätte inzwischen ihr »Bruder« die Überreste der Flasche Wein gebracht, den sie getrunken hatte. Die Flasche würde gerade im Labor untersucht.
    Bei dem Gedanken an den Typ zog sich mein Magen zusammen, doch ich war froh, dass er es getan hatte. Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte. Im Moment hatte die Sache nicht die höchste Priorität, doch irgendwann würde sie das vermutlich haben. Irgendwann würde auch das reale Leben wieder fällig sein. Man kann sich nicht nur auf die Arbeit konzentrieren. Man kann sich alle möglichen To-do-Listen machen und sie in Schubladen stecken, aber früher oder später taucht jede reale Angelegenheit auf der großen Agenda des Lebens auf. Wahrscheinlich lief es früher oder später darauf hinaus, dieser »Freundschaft« auf den Grund zu gehen. Ich hoffte, dass es keine große Sache sein würde, und tröstete mich damit, dass der Kerl erst seit fünf oder sechs Wochen bei der Firma arbeitete. Allzu ernst konnte es also gar nicht sein.
    Ich wusste nicht, ob ich traurig oder besorgt oder wütend sein sollte.

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