Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
so jung und völlig gesund. Es spricht doch überhaupt nichts dagegen, zuerst das Studium zu beenden und das Ganze dann in Ruhe anzugehen. Ich bin sicher, ohne Druck werdet ihr in einigen Jahren eine ganze Wagenladung Kinder haben.« Marianne kannte aus ihrer psychologischen Praxis einige ähnliche Fälle. Junge Frauen, die plötzlich das unbezwingbare Bedürfnis verspürten, ein Kind zu bekommen. Ungeachtet der ökonomischen, ausbildungsmäßigen und sonstigen Probleme, die sich dadurch für sie ergaben. Ein ganz wesentlicher Punkt dabei war, dass die potenziellen Väter die für sie in dieser Intensität unverständliche Fixierung ihrer Partnerinnen nicht akzeptieren konnten oder wollten und sich mit der Zeit zurückzogen. Oder sie waren zwar grundsätzlich guten Willens, fühlten sich aber auf Dauer derart unter Druck gesetzt, dass nichts mehr ging. Sowohl körperlich als mit der Zeit auch gefühlsmäßig.
Diese Gefahr schien nach Mariannes Einschätzung für die beiden immer größer zu werden.
»Gibt es gar nichts, wofür sich Tina so sehr interessiert, dass man sie damit von diesem an sich völlig normalen, in der Intensität aber manischen Wunsch ablenken könnte? Möchte sie irgendwohin reisen oder anderswo leben? Malen, schreiben oder irgendetwas tun, das ihr hilft, ihre Identität anders als über die Mutterschaft zu definieren?«
Guido schien nachzudenken. Offenbar hatte seine Schwester eine Möglichkeit angesprochen, die er bisher noch nicht in Betracht gezogen hatte.
»Na ja«, er runzelte etwas die Stirne, »seit einiger Zeit interessiert sie sich für die präkolumbischen Kulturen in Südamerika. Unlängst hat sie sogar geäußert, dass sie darüber gerne einmal ein Buch schreiben möchte.«
»Nun, das wäre doch schon etwas«, hakte Marianne ein. »Ein oder zwei Semester an einer südamerikanischen Universität. Das müsste sich doch machen lassen. Oder ihr nehmt ein Sabbatical und reist ganz einfach los. Mama hat doch diese ehemalige Schulfreundin, die in Guadalajara verheiratet ist.«
»Tinas Mutter hat eine gute Freundin in Santiago de Chile, die ist Lektorin an der Uni« warf Guido ein, der offenbar immer mehr Gefallen an dem Gedanken fand.
»Da müsste sich doch etwas organisieren lassen«, meinte seine Schwester. »Wenn ihr einmal in Südamerika seid, dann geht der Druck rasch weg und dann ist alles möglich. Vielleicht reduziert sich Tinas Kinderwunsch dann auch auf ein normales Maß.«
»Jetzt müssen wir ihr das bloß noch verkaufen«, verkündete Guido, dem es offensichtlich wieder viel besser ging.
»Jetzt muss ich dir noch etwas beichten.« Ein Blick auf die Uhr zeigte Marianne, dass in Kürze mit Anselms Eintreffen zu rechnen war. »Was ich dir jetzt anvertraue, muss unbedingt unter uns bleiben. Geht das in Ordnung?«
Natürlich ging das für Guido in Ordnung. Mariannes Geständnis, dass der Singener Hauptkommissar die Liebe ihres Lebens war, überraschte ihn aber nicht im Geringsten.
»Also stimmt es doch«, meinte er nur. »Gut, scheint ein netter Mann zu sein, dieser Wiegele. Auf jeden Fall netter als dieser Großkotz von Mann, den du noch hast. Ich freue mich für dich.«
Marianne musste sich doch wirklich wundern. »Und woher weißt du das schon?«
»Ich bin nicht sicher.« Guido hob fragend die Schultern in die Höhe. »Ich glaube, Tina hat es einmal erwähnt.«
So viel zum Thema ›Geheimhaltung‹ dachte Marianne. Im Grunde genommen war es ihr aber egal. Nein, eigentlich sogar ganz angenehm.
* * *
Auf der Fahrt vom Flughafen Schwechat in die Stadt erhielt Wiegele einen Crashkurs zum Thema ›Was gibt es Neues in Wien?‹ Der gleichermaßen eloquente, originell formulierende und ungemein mitteilungsbedürftige Taxifahrer schien glücklich, einen Fahrgast gefunden zu haben, der gewillt war, ihm zuzuhören. Einen, der sogar Fragen stellte und nicht nur geduldig vor sich hin schwieg.
»Oiso die Dobmödung is oba eindeutig, doss die Oide vom Mahrburger identifiziat haum«, versicherte er glaubwürdig. »I sog Ihna, des woa a Gschiss die letzten Monate. Des oame Kind, a dreijährigs Madl. A liabe Gredl, so weit ma segn kau. Oba mit diesa NBS Untasurchung oda wia des haast, homs jetztn eindeitig aussagfunden, doss die vakoide Leich die Mama von dem Madl is.«
»Meinen Sie DNS-Analyse?«, wollte Wiegele wissen.
»I glaub jo, des is, waun ma mit an Hoar erkennan kau, on aner der is, der er sein soi oda ned«, lieferte der Fahrer eine durchaus originelle, wenn
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