Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)
Unterstützung zu, ohne auch nur eine Sekunde zu zögern.
Als dann plötzlich Wiegeles privates Handy klingelte, wussten beide, was das zu bedeuten hatte. Während sich der Hauptkommissar zögernd meldete, holte die Martens rasch ein kleines Diktafon aus ihrer Tasche, stellte es auf Aufnahme und hielt es Wiegele hin. Der verstand sofort, was sie damit meinte und schnitt den Rest des kurzen Gesprächs mit.
Der Inhalt brachte wenig Neues. Dennoch war er erleichtert.
Man hatte ihm mitgeteilt, dass es Frau Kogler gut ginge und sie nichts zu befürchten hatte, wenn er sich die nächsten zwei, drei Tage zurückhielt. »Bis ihr Vermittler zurück ist und Sie sich mit den Bedingungen einverstanden erklären. Dann ist Ihre Freundin sofort wieder frei.«
Diesen Teil seines Geheimnisses hatte er der Kommissaranwärterin noch nicht gebeichtet. Nachdem er das nachgeholt hatte, sagte sie nur kurz: »Jetzt kennen wir zumindest eine Stimme. Vielleicht findet sich irgendwo ein Profil dazu im Computer. Um mehr zu erfahren, sollten wir Ihr Handy abhören lassen. Vielleicht lässt sich der nächste Anruf ja zurückverfolgen.«
Wiegele ärgerte sich, nicht selbst an diese selbstverständlichen Maßnahmen gedacht zu haben. Dann gratulierte er sich neuerlich zur Wahl, die Konstanz hinsichtlich der Vertretung Vondermattens getroffen hatte.
Apropos, den wollte er ja heute auch noch besuchen. Und um die Verlängerung von Helga Martens’ Einsatz in Singen musste er sich auch gleich noch kümmern. Langsam kam er wieder in Schwung.
* * *
Marianne hatte erstaunlich gut geschlafen und fühlte sich nach einem ausgezeichneten Frühstück relativ gut. Die ruhige, achtungsvolle Art der Frau, die sie betreute, hatte ihr das Gefühl vermittelt, dass ihr keine unmittelbare Gefahr drohte. Beiläufig hatte sie mitbekommen, dass außerdem noch zwei Männer im Hause waren. Die sie, das stand für sie fest, am Verlassen ihres derzeitigen Aufenthaltsortes hindern würden. Und das notfalls auch mit Gewalt, da war sie sich sicher.
Aber sie dachte gar nicht an Flucht. Marianne Kogler war eine Frau, die durchaus auch Risiken einging. Aber diese mussten kalkulierbar sein oder dem Druck einer noch erschreckenderen Alternative gegenüberstehen. Beides war momentan aber nicht der Fall.
Dazu kam, dass sie als Psychologin das Verhalten ihrer Entführer natürlich besser einschätzen konnte als ein Laie. Und da hatte sie keinerlei Hass, Aggression oder sonst irgendwelche negativen Gefühle erkennen können. Sondern ein tendenziell durchaus freundliches, höfliches, eher geschäftsmäßiges Interesse.
Also, wozu sollte sie irgendetwas riskieren? Sie war sicher, dass Anselm derselben Meinung sein würde.
Das leise Klopfen an der Türe erwies sich als sinnentleertes Ritual, da ihre Bewacherin nicht daran dachte, Mariannes Aufforderung zum Eintreten abzuwarten.
»Sie haben Besuch«, kündigte die Maskierte an, »da ist jemand, der mit Ihnen sprechen möchte. In Ihrem Interesse werde ich Ihnen jetzt eine Augenbinde umlegen. Bitte nehmen Sie diese erst wieder ab, wenn ich es Ihnen sage. Andernfalls könnten Sie uns in sehr große Verlegenheit bringen.« Marianne verstand die dezent versteckte Drohung und nickte zustimmend mit dem Kopf.
»Keine Angst«, meinte sie, »ich weiß, was gut für mich ist und was nicht.«
Kaum hatte sich die temporäre Dunkelheit über sie gesenkt, da hörte die Entführte auch schon die kräftigen Schritte eines wohl jüngeren Mannes. Da war aber noch eine zweite Person, die offenbar verhindern wollte, dass Marianne ihre Anwesenheit bemerkte. Das vorsichtige, leise Schlurfen eines eher älteren Mannes kam ihr seltsam vertraut vor. Es war dieses kurze Schleifen des linken Beines, ehe es wieder gehoben wurde, um den nächsten Schritt zu setzen. Wieso kam sie eigentlich auf die Idee, dass es das linke Bein war?
Das Rücken eines Stuhles verriet Marianne, dass der eine Mann, der offizielle Besucher sozusagen, inzwischen Platz genommen hatte. Wenn sie sich nicht sehr irrte, verwendete er ›Lacoste pour homme‹ als Duftwasser. Kein schlechter Geschmack.
Viel interessanter war aber das After Shave der zweiten Person. Ein dezenter, eher herber, männlicher Duft, dessen Namen sie nicht kannte. Und eine unverwechselbare Note, die ihr sehr vertraut war und die sie bisher nur bei einem einzigen Menschen gerochen hatte.
In der Schule hatte Marianne eine blinde Freundin gehabt, Inez. Um sich eine Vorstellung von der Welt machen zu
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