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Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)

Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition)

Titel: Killerspiele: Palinskis fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Emme
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können, wie sie von Inez wahrgenommen wurde, hatte sich Marianne immer wieder für Stunden die Augen verbunden. Und dabei festgestellt, in welch erstaunlichem Ausmaß der Ausfall eines Sinnesorgans die anderen schärfte. Auf diese Art hatte sie sowohl ihr Gehör als auch Tast- und Geruchssinn systematisch verbessert. Das half ihr nicht nur in ihrem Beruf, in dem sie häufig mit blinden Menschen zu tun hatte, sondern und vor allem auch hier und jetzt.
    »Guten Tag, Frau Kogler«, begann der offizielle Besucher. »Ich bin nur hier, um mich zu vergewissern, dass es Ihnen unter den gegebenen Umständen gut geht und Sie alles bekommen, um es zwei, drei Tage hier auszuhalten.«
    Marianne nickte kurz mit dem Kopf. »Danke, es geht mir nicht schlecht. Ich protestiere aber nicht nur gegen die Art, wie man mich hierher gebracht hat, sondern vor allem auch gegen die Tatsache meiner Entführung überhaupt.«
    Im Hintergrund hörte sie ein verhaltenes Hüsteln und erstarrte. Das war ein Zufall zuviel, schoss es ihr durch den Kopf. Und dennoch war es unmöglich. Die zweite, offenbar nicht offiziell im Raum anwesende Person ging wie ihr Vater, roch wie ihr Vater und das mühsam unterdrückte ›Hchn, hchn‹ klang ganz wie die heuer besonders hartnäckige Bronchitis ihres Vaters. Aber das konnte doch nicht sein. Nein, nicht ihr Vater.
    Mühsam versuchte sie, ihrer Erregung wieder Herr zu werden.
    Ihre nächsten Worte entfuhren ihr rein instinktiv. »Können Sie meinem Vater eine Information zukommen lassen?«
    Der Angesprochene reagierte hörbar irritiert. »Schreiben Sie einen Brief und ich werde versuchen, ihn weiterzuleiten«, meinte er schließlich. »Aber in zwei, höchstens drei Tagen können Sie ihm das alles selbst sagen.«
    »Aber ich möchte, dass er es noch heute erfährt«, erwiderte sie in leicht gereiztem Ton. »Sagen Sie ihm, dass ich ihn liebe und ihm vertraue. Was immer er auch tut.«
    Das trockene, von einem nervösen ›Hchn, hchn, hchn‹ gefolgte Schluchzen war leise, aber unüberhörbar. Gleichzeitig erhob sich jemand und schlurfte eilig aus dem Zimmer. Auch der offizielle Besucher war aufgestanden und schickte sich an zu gehen.
    »Passen Sie bloß gut auf sich auf«, meinte er noch zu Marianne. Mit einem Unterton, der ihr eine Gänsehaut über den Rücken jagte. Oder bildete sie sich diesen Ton nur ein? Genauso, wie sie sich einbildete, eben von ihrem Vater besucht worden zu sein.
    Marianne konnte es nicht verhindern. Sie brach in Tränen aus.
     
    * * *
     
    Die erste der drei Damen, die Wiegele heute vernehmen wollte, war Francesca Doppoli, die Haushälterin Konsul Webernitz’.
    Die rassige Italienerin war von der Kanzlei Bittner zunächst einmal an die Polizei verwiesen worden, da sich der Anwalt noch außer Haus befand und etwas verspäten würde.
    Die üppige, im rubenschen Sinne durchaus attraktive Frau wusste bereits von dem Tod ihres Arbeitgebers, machte aber keinen sonderlich betroffenen Eindruck. Im Gegenteil, sie knallte dem Hauptkommissar eine Lebensversicherungspolice auf den Schreibtisch und wollte wissen, wann das Geld ausbezahlt werden würde.
    Dabei ging es immerhin um einen Betrag von 200.000 Euro, für Frau Doppoli in ihrer derzeitigen Einkommenssituation zweifellos eine höchst interessante Summe. Dass sie inzwischen gut zehn Millionen schwer war, konnte die Gute ja noch nicht wissen. »Da müssen Sie die Versicherung fragen«, ging Wiegele trotz sachlicher Unzuständigkeit auf diese Frage ein. »Aber falls es sich wirklich um Selbst-mord handelt, gibt es gar nichts. Das wäre nämlich ein Haftungsausschluss«, klärte er ohne überflüssige Rücksichtnahme auf.
    Da fing Signora Doppoli an zu jammern. »Aber das geht doch nicht. Das isse doch Teil von meine Arbeits-vertrag gewesen. Walter immer at gesagt, wenn tot, dann ich muss keine Sorgen mehr aben. Und jetzt keine Geld? Che miseria.« Ihre Verzweiflung klang wirklich echt.
    Auf den ersten Blick schien die Tatsache einer Lebensversicherung die Doppoli als Täterin oder zumindest Mitwisserin zu entlasten. Vorausgesetzt, dass sie nichts vom Inhalt des Testaments gewusst hatte. Denn sie würde durch einen erfolgreich fingierten Selbst-mord eine Menge Geld verlieren.
    Andernfalls konnte das aber auch nur ein geschicktes Ablenkungsmanöver sein. Falls sie nämlich einen Mord in Auftrag gegeben hatte oder an einem Komplott beteiligt gewesen sein sollte, dann machte es durchaus Sinn, es zunächst wie einen Selbstmord aussehen zu lassen.

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