Killervirus - Gerber, R: Killervirus - Heartstopper
Grunde genommen hatte der Junge keine Chance. Wahrscheinlich hatte er ohnehin seinen infizierten Vater berührt und war damit unweigerlich ebenfalls ein Todeskandidat.
Mit leisen Schritten ging der Samariter auf die nächste Biegung zu, die der Gang vor ihm machte. Er blieb stehen und lauschte und da! - er hörte tatsächlich Schritte. Und er hörte eine Stimme, die ihm bekannt vorkam.
»Meinst du, die haben mir geglaubt?«, fragte die Stimme von Ben Maxwell, die rasch näher kam.
Der Samariter erschrak und war einen Augenblick lang wie gelähmt. Wie konnte das sein? Ben Maxwell! Der Mann musste doch längst tot sein!
So leise er konnte, eilte der Samariter zur nächsten Tür, die in einen Abstellraum führte, der zum Glück nicht abgeschlossen war. Er riss sie auf und versteckte sich dahinter, ließ sie aber einen kleinen Spalt offen, der gerade groß genug war, um den Lauf der Pistole hindurch zu stecken.
Die Schritte kamen schnell näher, und eine zweite, jüngere Stimme sagte: »Ich habe das Video gleich noch auf den Server der SchmooCon hochgeladen. Wenn die es sehen, verbreiten sie es sofort in die ganze Welt.«
»Du meinst, ich bin dann auf sämtlichen Hacker-Rechnern zu sehen?«
»Und nicht nur auf denen, Dad.«
Jetzt sah er die beiden um die Ecke kommen und holte tief Luft, um besser zielen zu können. Erst würde er Ben Maxwell erledigen, der einen blauen Overall trug, dann den Jungen.
»Vorsicht, Dad!«, gellte auf einmal ein Schrei durch den Gang. »Da vorn, in der Tür!«
Der Samariter drückte ab, und im selben Augenblick warf sich der Junge auf Maxwell und riss ihn zu Boden.
Die Kugel, die direkt auf Maxwells Brust gezielt hatte, traf stattdessen den Jungen, der einen lauten Schmerzensschrei ausstieß, während er neben seinem Vater zu Boden ging. Der Samariter riss die Tür auf und feuerte hintereinander zwei weitere Schüsse ab, die aber beide schlecht gezielt waren und nicht trafen. Dann sah er auf einmal etwas auf sich zu fliegen, einen großen Stein oder einen anderen Gegenstand, und gleich darauf gab es in dem kleinen Raum hinter ihm einen grellen Blitz und eine lautstarke Explosion, und das Toilettenpapier, das dort in großen Packen gestapelt war, ging sofort in Flammen auf. Der Samariter drehte sich um und sah ein weiteres Geschoß auf sich zu fliegen, dem er nur um Haaresbreite ausweichen konnte. Es fiel gegen das weiche Toilettenpapier und explodierte nicht, und der Samariter sah, dass es ein neongelber Tennisball war, der noch ein Stück auf dem Boden herumrollte und dann liegen
blieb. Dann setzte mit einem metallischen Klicken die Sprinkleranlage ein und sprühte aus kleinen Düsen an der Decke scharfe Wasserfontänen in den Abstellraum.
Der Samariter rannte hinaus auf den Gang. Auch hier war die Sprinkleranlage losgegangen und hüllte alles in einen feinen Wassernebel, der dem Samariter momentan die Sicht raubte. Maxwell und der Junge waren verschwunden, aber am anderen Ende des Ganges tauchten auf einmal zwei Gestalten auf. Eine von ihnen hatte eine Waffe in der Hand.
»Halt! Stehen bleiben!«, rief die Gestalt, und Collins drückte viermal hintereinander auf die beiden Gestalten ab, die er im Sprühregen aus den Düsen nur undeutlich sehen konnte. Sie sackten stöhnend zusammen, und die Waffe polterte zu Boden.
Der Samariter machte sich nicht die Mühe, nach ihnen zu sehen und lief den Gang entlang in die andere Richtung, den beiden Maxwells hinterher.
89
17:18 UHR
NATIONALS PARK STADION, WASHINGTON, DC
Das Blut schoss in einem fingerdicken Strahl aus der Wunde in Jacks Oberschenkel und mischte sich mit dem Sprühnebel der Sprinkleranlage zu rötlichem Schaum. Ben packte seinen Sohn unter der Achsel und stützte ihn, während er auf einem Bein den Gang entlanghumpelte. Hinter ihnen fielen weitere Schüsse, aber Ben wagte nicht, sich umzudrehen. Er musste seinen Sohn in Sicherheit bringen. Aber wie? Und vor allem, wo? Der Blutverlust aus Jacks Wunde war so groß, dass der Junge rasche Hilfe brauchte, um nicht zu verbluten. In seiner Verzweiflung riss Ben die nächste Tür an der Seite des Ganges auf. Es war eine Behindertentoilette, ein großer Raum mit Einrichtungen für Rollstuhlfahrer, in dem ebenfalls die Sprinkleranlage für einen künstlichen Wolkenbruch sorgte.
Ben führte Jack zu dem Toilettensitz und ließ ihn hinsetzen, dann sprang er zurück zur Tür und drehte den Verriegelknebel um. Ben war klar, dass das windige Schloss keinen Schutz vor einem
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