Killerwelle
Schlimmeres ertragen.«
»Ich habe einiges über Ihre Glanzleistungen gelesen«, sagte Cabrillo. »Und ich war sehr beeindruckt. Aber es gibt eigentlich nichts Schlimmeres, als gegen seinen Willen festgehalten zu werden. Dieser Mangel an Freiheit und Kontrolle kann einen fertigmachen. Machtlos zu sein, ist wahrscheinlich das schlimmste Gefühl, das man sich vorstellen kann.«
Sie öffnete den Mund, als wolle sie etwas erwidern, ließ sich dann jedoch auf Lindas Bett fallen und vergrub das Gesicht in den Händen. Zuerst schluchzte sie stumm vor sich hin, aber dann wurde es heftiger, bis ihr ganzer Körper erbebte. Juan gehört nicht zu den Männern, die durch das Weinen einer Frau abgeschreckt wurden, jedenfalls nicht, wenn es dafür einen Grund gab. Sinnlose Gefühlsausbrüche empfand er zwar als störend, aber so etwas wie diesen unverhüllten Ausdruck von Angst verstand er nur zu gut.
Er setzte sich neben sie aufs Bett, behielt jedoch die Hände bei sich. Wenn sie sich Körperkontakt wünschte, dann müsste sie das zeigen. Seine Instinkte waren in solchen Momenten absolut wach und präzise. Nach wenigen Sekunden lehnte Soleil bereits ihr Gesicht an seine Schulter. Er legte einen Arm um sie und wartete ganz einfach, dass sie alles, was sie bedrückte, herausließ. Weniger als eine Minute später richtete sie sich auf und schniefte. Juan zupfte einige Papiertücher aus dem Karton auf dem Nachttisch und reichte sie ihr. Sie tupfte sich erst die Augen ab und putzte sich dann die Nase.
»Pardonnez-moi. Das war nicht sehr damenhaft.«
»Jetzt geht es Ihnen besser«, prophezeite er. »Ich erkenne durchaus, dass Sie eine starke Frau sind, aber Sie haben Ihre Emotionen schon viel zu lange unterdrückt. Ich nehme an, Sie ließen sich vor Ihren Wächtern keine Schwäche anmerken.«
»Non. Nicht ein einziges Mal.«
»Aber das heißt noch lange nicht, dass Sie keine haben. Daher kommt am Ende alles auf einmal heraus. Da ist doch nichts dabei.«
»Danke«, sagte sie leise. Ihre Stimme wurde nun kräftiger, und der Anflug eines Lächelns spielte um ihre Lippen. »Und vielen Dank auch dafür, dass Sie mir das Leben gerettet haben. Linda hat ein so großes Vertrauen zu Ihnen, dass sie niemals an unserer Rettung gezweifelt hat. Ich dagegen war mir da nicht so sicher. Aber jetzt?« Das Lächeln vertiefte sich zu einem Grinsen. »Jetzt denke ich, dass Sie alles schaffen können.«
»Aber erst wenn ich mein rotes Cape aus der Reinigung zurückbekomme.«
Die Anspielung verwirrte sie für einen Moment. »Ach, Sie sind Superman?«
»Der bin ich, aber ich trage keine Strumpfhosen.« Juan wurde ernst. »Ich muss Ihnen einige Fragen stellen. Wenn es allerdings zu schwierig für Sie ist, können wir das auch später tun.«
»Non. Ich gebe mir Mühe.«
»Ich kann auch zurückkommen, wenn Sie angezogen sind.«
»Ich habe ein Badetuch. Das reicht mir«, sagte sie pragmatisch.
»Haben Sie während Ihrer Gefangenschaft irgendetwas Bedeutsames gehört? Irgendetwas, das uns einen Hinweis darauf geben könnte, worum es eigentlich geht?«
»Nein. Nichts. Sie haben mich in Zürich aus meinem Haus geholt. Zwei Männer sind eingebrochen und haben mich im Schlaf überfallen. Während einer mich festhielt, verpasste mir der andere eine Injektion. Davon wurde ich bewusstlos. Als ich aufwachte, war ich schon in dieser Zelle, in der Sie mich gefunden haben. Ich wusste noch nicht einmal, dass sie zu einer Ölplattform gehörte, bis Linda mich darüber aufklärte. Sehen Sie, man hatte auch sie betäubt. Aber sie sagt, dass sie in einem Hubschrauber über dem Meer aufgewacht ist.«
Juan wusste, dass Linda sich ebenso wie er nicht gerührt hatte, als sie zu sich gekommen war, um sich sogleich ein Bild von ihrer Umgebung machen zu können. Es war ein Trick, den er ihr beigebracht hatte.
»Haben Sie irgendeine Idee, weshalb man es auf Sie abgesehen hatte?«
»Ich nehme an, es hat mit meinem Vater zu tun«, antwortete Soleil. »Er ist reich und mächtig.«
»Ich habe ihn in Singapur kennengelernt, als er uns engagierte, in Birma nach Ihnen zu suchen.«
»Es trifft zu, dass ich die Absicht hatte, mit einem Freund eine ziemlich extreme Wanderung durch Bangladesh zu machen.«
»Das wissen wir. Der Mann, der Ihre Entführung organisiert hat, ging sogar so weit, Ihre Website zu manipulieren, damit es so aussah, als wären Sie tatsächlich zu diesem Trip aufgebrochen. Diese Leute haben sich sehr gut getarnt. Gibt es irgendetwas Besonderes über Ihren
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