Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
leistet Widerstand!
Gegen die Fesseln hier und den internationalen Bann.
Brüder, folgt mir … Mann für Mann.
Brüder und Schwestern, leistet Widerstand!
Die große Erweckung würde, glaubte Ballarin, in Somalia beginnen, wo sie bereits über Kontakte zur Ahlu Sunna Waljama’a ( ASWJ ) verfügte, einer Sufi-Gruppe, die in Zentralsomalia große Gebiete kontrollierte. Die ASWJ blickte auf eine etwas wechselhafte Geschichte zurück. Während des Bürgerkriegs in Somalia in den 1990er-Jahren war die Gruppe mit demselben Warlord verbündet, unter dessen Kommando die somalischen Kämpfer standen, die während der Black-Hawk-Down-Episode die Army Rangers und Delta-Force-Soldaten in Mogadischu unter Feuer genommen hatten. Vor dem Aufstieg von al-Shabaab hatte die ASWJ keine sonderlich große Rolle in den somalischen Klankriegen gespielt. Doch als die Shabaab-Kämpfer die ersten Dörfer und Städte in Süd- und Zentralsomalia eroberten, zerstörten sie, wohin immer sie kamen, demonstrativ sufistische Grabstätten und Moscheen. Sie exhumierten Skelette und ließen sie in der Sonne bleichen, die Friedhofswärter wurden verhaftet oder davongejagt. In den Augen der strenggläubigen Wahhabiten der Shabaab nämlich waren die reich verzierten sufistischen Grabstätten Denkmäler und damit ein Zeichen der im Islam geächteten Götzenanbetung. Gegenüber der BBC etwa erklärte Scheich Hassan Yaqub Ali, der Shabaab-Sprecher in der südsudanesischen Hafenstadt Kismayo: »Es ist verboten, Gräber in Schreine zu verwandeln.«
Die Grabschändungen brachten eine militante Ader in der bis dahin größtenteils friedlichen ASWJ zum Vorschein, deren Anhänger sich in einer bewaffneten Gruppe organisierten, um so ein Gegengewicht zu al-Shabaab zu schaffen. Ballarin, die das einem bewaffneten Aufstand der Sufisten innewohnende Potenzial erkannte, ermutigte die Sufi-Führer darin, eine Strategie zu entwickeln, wie sie den Vormarsch von al-Shabaab stoppen könnten. Wiederholt konferierten sie und Perry Davis mit Sufi-Scheichs und ASWJ -Kommandeuren, reisten nach Zentralsomalia, um über ihre Militärkampagne zu reden, und führten sich überhaupt auf wie ein zweiköpfiger Kommandostab. Gegenüber Amerikanern brüsteten sich Ballarin und Davis damit, die ASWJ sei so etwas wie ihre persönliche Privatmiliz und sie hätten die Sufi-Kämpfer darin trainiert, Waffen vom Schlachtfeld zu bergen und Munition zu lagern.
Dann, nach Monaten des Patts, eroberte ein bunt zusamengewürfelter Haufen waffenschwingender ASWJ -Kämpfer El Buur, eine Shabaab-Hochburg in Zentralsomalia. Noch heute strahlt Ballarin vor Begeisterung, wenn sie erzählt, wie sie mitten in der Nacht eine SMS von einem ASWJ -Kommandeur erhielt:
»Wir haben El Buur eingenommen!«
Im November 2011 saß Michele Ballarin in ihrer Ziegelsteinvilla im nördlichen Virginia vor dem Fernseher und verfolgte auf Fox News die Nachrichten über die arabische Rebellion, die über Nordafrika hinwegfegte. Für sie kündeten die Bilder aber keineswegs von einem hoffnungsvollen »arabischen Frühling«; vielmehr meinte sie, einem sich entfaltenden Albtraum beizuwohnen: der Ausbreitung des radikalen wahhabitischen Islam über ganz Nordafrika bis zur Westküste des Kontinents. In ihren Augen hatten die autoritären Regierungen in Ländern wie Libyen oder Ägypten ein Bollwerk gegen den aggressiven Wahhabismus gebildet, ein Bollwerk, dessen Mauern nun bröckelten und einstürzten. Und sie war sich sicher, dass die reichen saudischen Sponsoren des Wahhabismus mit ihrem Geld den Bau von Moscheen und Religionsschulen in der Region fördern und die Vereinigten Staaten im Kampf gegen den radikalen Islam ihre einzigen Verbündeten in der Region verlieren würden. Muammar al-Gaddafi mochte ein ruchloser Schurke und einer der Lieblingsfeinde ihres Helden Ronald Reagan gewesen sein, aber so, wie Ballarin das sah, hatte der libysche Diktator in dem das Zeitalter definierenden epischen Kampf zwischen Gut und Böse auf der Seite der Rechtschaffenen gestanden.
Wie ein Sandsturm waren die Rebellionen, die über die nordafrikanischen Staaten hinwegfegten, im Begriff, ganze Jahrzehnte der autoritären Herrschaft unter sich zu begraben. Die CIA schien von den Massenaufständen völlig überrumpelt, und im Weißen Haus musste man einsehen, dass trotz der vielen Milliarden, die die Vereinigten Staaten jedes Jahr ausgaben, um weltweit Geheimdienstinformationen zu sammeln und sich anbahnende weltbewegende politische und
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