Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
vermisst. Wo bist du gewesen?«, fragte der Freund.
Al-Kuwaitis Antwort fiel vage aus, war aber dennoch aufschlussreich.
»Ich bin wieder bei dem Volk, bei dem ich früher schon war«, antwortete der Kuwaiter knapp.
Die verschlüsselte Botschaft war wichtig: Offenbar arbeitete al-Kuwaiti wieder für al-Qaida, und möglicherweise stand er sogar in direkter Verbindung zu Osama Bin Laden. Mithilfe von Geolokalisierungsverfahren konnte die NSA feststellen, wo al-Kuwaiti sein Handy benutzte, nämlich im Umkreis der westpakistanischen Stadt Peschawar, was naheliegend war, wenn al-Kuwaiti immer wieder in die Stammesgebiete fuhr, wo sich, wie man glaubte, der Großteil der Qaida-Führungsspitze verborgen hielt – obwohl bereits zu dem Zeitpunkt eine kleine Gruppe von CIA -Analysten vermutete, Bin Laden könnte woanders untergetaucht sein, womöglich in einer der dichter besiedelten Regionen des Landes. Genau genommen war es nicht viel mehr als eine Ahnung, die in einem gewissen Maß nur auf dem Ausschlussprinzip beruhte: Die CIA hatte sich über Jahre hinweg voll und ganz auf die Stammesgebiete konzentriert, ohne auch nur einen einzigen neuen Hinweis darauf erhalten zu haben, dass der Qaida-Führer sich dort aufhielt. Irgendwann drängte es sich einfach auf, den Blick woandershin zu richten.
Die Ahnung erwies sich als goldrichtig. Zwei Monate nach dem abgehörten Handyanruf sah ein für die CIA arbeitender pakistanischer Agent al-Kuwaiti in Peschawar am Steuer eines auffälligen weißen Suzuki-Jeeps sitzen. Der Agent folgte al-Kuwaiti aus der Stadt, doch der Kuwaiter nahm nicht den Weg nach Westen in die Berge und Stammesgebiete. Stattdessen fuhr er knapp 200 Kilometer gen Osten in ein verschlafenes Städtchen nördlich von Islamabad namens Abbottabad – Standort der angesehensten Militärakademie des Landes und ein beliebter Altersruhesitz für pensionierte Offiziere der pakistanischen Streitkräfte, die sich hier auf einem der besten Golfplätze Pakistans ihre Zeit vertreiben. In Abbottabad hielt der Suzuki-Jeep vor einem weitläufigen Anwesen an, das von einer vier Meter hohen Betonmauer umschlossen war. Hinter der Mauer waren die oberen Stockwerke eines großen Hauses zu sehen, dessen oberste Etage nur zu einer Seite hin Fenster aufwies, bei denen es sich genau genommen nicht einmal um Fenster, sondern nur um schmale, von außen her undurchsichtige Schlitze handelte. Das Anwesen verfügte weder über einen Telefon- noch einen Internetanschluss. Wer auch immer hinter diesen Mauern lebte, war darauf aus, sich möglichst vollständig gegenüber der Außenwelt abzuschotten.
In den darauffolgenden Monaten drängte Leon Panetta das Counterterrorism Center, eine ganze Reihe und zum Teil auch recht ausgefallene Methoden in Betracht zu ziehen, mit deren Hilfe man herausfinden konnte, wer sich in dem Haus verborgen hielt, Methoden, die mitunter an die Zeit erinnerten, da die Agency noch keine Predator-Flotte ihr eigen nannte und unter anderem mit dem Gedanken gespielt hatte, Bin Ladens Trainingslager in Afghanistan mithilfe von Heißluftballons auszuspionieren. CTC -Agenten schleppten ein gigantisches Teleobjektiv in Panettas Büro, das größte, das auf dem Markt erhältlich war, und schlugen vor, es mehrere Kilometer entfernt in den Bergen aufzustellen. Da man von dem Safe House aus, das die CIA in der Zwischenzeit unweit des Anwesens in Abbottabad eingerichtet hatte, keinen direkten Blick auf die Anlage hatte, konnte man das Teleobjektiv dort nicht einsetzen. Endlose Wochen hindurch machten Spionagesatelliten bei ihren Überflügen über Pakistan tausende Aufnahmen von dem Anwesen, aber auch diese konnten keinen definitiven Beweis dafür erbringen, dass Bin Laden sich dort versteckt hielt.
Der CIA blieb nichts anderes übrig, als zu warten – und weiter nach dem eindeutigen Nachweis zu suchen, der möglicherweise einen Schlusspunkt unter die nun schon fast ein Jahrzehnt währende Menschenjagd setzen würde.
Gerade jetzt, da die CIA ihre heißeste Spur in Richtung Bin Laden verfolgte, seit sich der Terrorführer 2001 aus seinem Höhlenversteck in Tora Bora davongestohlen und über die Grenze nach Pakistan abgesetzt hatte, war es weit mehr als nur unpassend, dass einer ihrer Geheimagenten in einem Gefängnis in Lahore saß und einer Anklage wegen Doppelmords entgegensah. Die islamistischen Parteien in Pakistan organisierten Demonstrationszüge und drohten gewaltsame Ausschreitungen an, sollte Raymond Davis für seine
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