Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
über den er mit der CIA kommunizieren konnte – und der ihn mit einem Piepton darauf aufmerksam machte, wenn die Amerikaner ihn kontaktieren wollten.
Etwa einen Monat nach Beginn der Impfkampagne in Abbottabad erhielt Afridi von Sue die Anweisung, sich auf Bilal Town zu konzentrieren, ein bei der oberen Mittelschicht der Stadt beliebtes Viertel, das nicht weit von der hier ansässigen führenden pakistanischen Militärakademie entfernt lag. Das von ihm verantwortete Impfprogramm gegen Hepatitis B führte Afridi recht nachlässig durch; abgesehen davon, dass er Impfprotokolle ignorierte, die vorschrieben, eine Nachbarschaft nach der anderen zu impfen, fehlte es ihm an ausreichendem Impfstoff, um allen Personen in seiner Zielgruppe der fünfzehn bis fünfundvierzig Jahre alten Frauen die für einen wirksamen Schutz erforderlichen Mehrfachinjektionen verabreichen zu können. Es kam sogar vor, dass Mitarbeiter der lokalen Gesundheitsbehörden die Kooperation mit Afridi verweigerten und ihm unterstellten, keine Genehmigung für seine Arbeit zu haben. Shaheena Mamraiz etwa, die für das Gesundheitsamt in Abbottabad arbeitet, sagte, sie habe sich von dem aggressiven Auftreten Afridis abgestoßen gefühlt, als er im März 2011 in einem schwarzen Anzug in ihr Büro gestürmt sei und sie von den Details seines geplanten Impfprogramms in Kenntnis gesetzt habe. Erst auf das massive Drängen ihres Vorgesetzten hin erklärte sie sich zur Zusammenarbeit mit Afridi bereit.
Die Details dazu, wer genau in der Region Abbottabad geimpft werden sollte, kümmerten Afridis CIA -Führungsagenten natürlich nicht. Die kleine Gruppe von Beamten im Counterterrorism Center in Langley und in der CIA -Station in Islamabad interessierten sich im Frühjahr 2011 ausschließlich für den Ortsteil Bilal Town, genauer gesagt das große, von einer Mauer umfasste Anwesen an der Pathan-Straße, das amerikanische Spionagesatelliten seit mehreren Monaten im Visier hatten. Die für Afridi zuständigen CIA -Agenten weihten den Arzt nie in ihren Verdacht ein, Osama Bin Laden könnte sich dort verborgen halten. Ob der Qaida-Führer und seine Entourage dort tatsächlich lebten, war nach wie vor Gegenstand intensiver Spekulationen, und die Amerikaner hofften, durch einen direkten Zugang in das Haus die Sache endgültig klären zu können. Unter dem Vorwand der Impfkampagne sollte Afridi eine seiner Mitarbeiterinnen in das Haus schleusen und das liefern, wonach amerikanische Soldaten und Spione seit knapp einem Jahrzehnt so sehnsüchtig suchten: einen sicheren Beleg dafür, wo Osama Bin Laden sich versteckt hielt.
Aber weder Afridi noch sonst jemand aus seinem Team konnte den Amerikanern den gewünschten Beweis liefern. An dem Tag, an dem Afridis Team die Anwohner der Pathan-Straße impfte, waren die Bewohner des mysteriösen Anwesens die einzigen, die die Hepatitis- B-I mpfung verweigerten – dieselben Leute, die sich nur selten außerhalb des Hauses sehen ließen und sogar ihren Müll selbst verbrannten, statt ihn wie üblich für die Müllabfuhr auf die Straße zu stellen. Die Nachbarn erzählten Afridi, dass das Anwesen von einem zurückgezogenen Brüderpaar aus Waziristan sowie ihren Familien bewohnt wurde und die Männer mit niemand aus dem Viertel verkehrten. Durch weitere Nachfragen gelang es einer für Afridis Team arbeitenden Krankenschwester, die Handynummer eines der beiden in der Anlage lebenden »Brüder« zu beschaffen. Sie rief die Nummer von Afridis Telefon aus an und bekam einen Mann an den Apparat, der erklärte, dass er gerade unterwegs sei und sie ihn später am Abend zurückrufen solle.
Das Impfteam gelangte niemals hinter die Mauern des Anwesens, und da Afridi der Meinung war, dass man mit weiteren Versuchen möglicherweise das Misstrauen der Bewohner wecke und diese sich veranlasst sehen könnten, ihre üblichen Abläufe zu verändern oder sich gar abzusetzen, beschloss er, die Sache abzubrechen. Nach Abschluss der Impfkampagne in Bilal Town kehrte Afridi mit den benutzten Impfsets nach Islamabad zurück, wo Sue in ihrem Toyota-Geländewagen an einem vorab vereinbarten Ort bereits auf ihn wartete. Er berichtete ihr alles, was er über die Leute in dem Anwesen in Erfahrung gebracht hatte, und übergab ihr die Impfsets. Im Gegenzug bekam er von der Amerikanerin 5,3 Millionen Rupien in bar ausgehändigt.
Von einem behelfsmäßigen Stützpunkt im östlichen Afghanistan stiegen vier amerikanische Hubschrauber in den mondlosen Himmel auf
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