Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Schluss aufgehoben:
»Es war ein zweiter Raymond Davis!«
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D ER D OKTOR UND DER S CHE ICH
»Ich will hier gar nicht der Botschafter sein.«
CIA -Stationschef in Islamabad
Dr. Shakil Afridi arbeitete bereits seit über einem Jahr für die CIA , als ihm im Januar 2011 – dem Monat, in dem Raymond Davis festgenommen wurde – seine amerikanische Agentenführerin neue Instruktionen überbrachte. Um sich mit seinem amerikanischen Kontakt zu treffen, musste der pakistanische Chirurg ein von der CIA für ihn ausgetüfteltes, langwieriges Prozedere befolgen: an einem festgelegten Ort, manchmal einer Shell-Tankstelle, manchmal einem belebten Markt, traf er sich mit zwei Männern, die ihn einer Leibesvisitation unterzogen. Anschließend legte er sich, unter einer Decke vor Blicken verborgen, auf die Rückbank ihres Wagens. Auch an diesem Tag fuhren die Männer zunächst eine Weile im Zickzack durch die Straßen Islamabads, bevor sie irgendwo anhielten und Afridi befahlen, auszusteigen. Dort wartete bereits seine amerikanische Agentenführerin, die er nur als Sue kannte, in einem Toyota-Geländewagen auf ihn.
Bei diesem Treffen wies Sue den Doktor an, alles Notwendige zur Durchführung einer Impfkampagne gegen Hepatitis B für Frauen im Alter von fünfzehn bis fünfundvierzig Jahren vorzubereiten. Beginnen sollte er in zwei Ortschaften in Kaschmir – Bagh und Muzaffarabad – sowie in der Provinz Khyber Pakhtunkhwa und sich dort auf die ländliche Garnisonsstadt Abbottabad konzentrieren. Die Impfkampagne, fuhr sie fort, solle sich über sechs Monate erstrecken und in drei Phasen stattfinden. Im Kopf überschlug Afridi rasch die Kosten für die Kampagne, inklusive des üblichen kräftigen Aufschlags, den er stets berechnete, wenn die CIA ihm einen Auftrag anbot. Er würde für die Impfaktion, erklärte er Sue, 5,3 Millionen Rupien brauchen, umgerechnet etwa 55000 US -Dollar.
Afridi arbeitete inzwischen lange genug für die Amerikaner, um zu wissen, dass die CIA nicht wegen ein paar tausend Dollar mit ihm herumstreiten würde. Zumal er genau zu der Sorte Informanten zählte, auf die die Amerikaner so großen Wert legten – jemand, der sich frei im gesamten Land bewegen konnte, ohne dabei das Misstrauen der Militanten oder des pakistanischen Geheimdiensts zu erregen. Er war der perfekte Spion, und das ließ die CIA sich gerne etwas kosten.
Sue war die neueste in einer ganze Abfolge von CIA -Agenten, die Afridi betreut hatten, seit er 2008 zum ersten Mal von den Amerikanern angesprochen worden war. Afridi, zu der Zeit in seinen späten Vierzigern, hatte sich aus einfachen Verhältnissen hochgearbeitet und es zum leitenden Arzt der zu den Stammesgebieten gehörenden Khyber Agency gebracht – ungeachtet aller Vorwürfe, dass er regelmäßig Schmiergelder von Medizinfirmen annehme, unnötige chirurgische Eingriffe anordne und Arzneimittel aus Krankenhausbeständen auf dem Schwarzmarkt verkaufe.
Es gab kaum jemanden, der Afridis unermüdlichen Einsatz zur Verbesserung der Gesundheitsbedingungen in einer der ärmsten Regionen der Welt infrage stellte. Aber der Doktor war auch jemand, der sich gerne reden hörte, Frauen in seinem Kollegenkreis mit Vorliebe anzügliche Witze erzählte und die Grenzen der medizinischen Ethik arg strapazierte, um seinen Verdienst aufzustocken. Irgendwann jedoch kamen die gegen Afridi erhobenen Vorwürfe einem gewissen Mangal Bagh zu Ohren, einem ehemaligen Busfahrer, der sich inzwischen als Warlord und Drogenschmuggler im Khyber-Stammesgebiet betätigte und Anführer einer obskuren Gruppe namens Lashkar- e-I slam war. Bagh zitierte den Arzt in sein Haus und verlangte von ihm zur Strafe für seine Vergehen die Zahlung von einer Million Rupien, etwa 10000 US -Dollar. Als Afridi sich weigerte, ließ Bagh ihn kidnappen und eine Woche einsperren, bis er zahlte.
Im November 2009 nahm Afridi an einem Ärztekongress in Peschawar teil, wo er, wie er später gegenüber pakistanischen Ermittlern aussagte, von einem Mann angesprochen wurde, der sich ihm als der für Pakistan zuständige Direktor der internationalen Hilfsorganisation Save the Children vorstellte. Der Mann, Mike McGrath, bekundete großes Interesse an Afridis Arbeit und lud ihn zum Dinner in sein Haus nach Islamabad ein, wo man sich dann ausführlicher unterhalten könne. Ob Afridi hinter der Einladung ein verborgenes Motiv vermutete, ist unklar, aber als er am vereinbarten Tag zum Abendessen in McGraths Haus in einen vornehmen Viertel
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