Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
passte.
Deshalb entschied sich Präsident Obama für die riskantere Option, sprich dafür, ein Navy- SEAL -Kommando mit dem Auftrag nach Abbottabad zu entsenden, Bin Laden zu töten und Beweise für sein Ableben mitzubringen. Neben den auf der Hand liegenden Gefahren einer solchen Operation bereitete vielen Regierungsmitarbeitern vor allem Kopfschmerzen, dass amerikanische Bodentruppen so tief innerhalb Pakistans operieren sollten. Bis dahin hatte das US -Militär seine Aktionen auf pakistanischem Boden ausschließlich auf die Stammesgebiete beschränkt – Einsätze, die nicht weit von der afghanischen Grenzen entfernt stattfanden, was im Falle eines Falles den raschen Rückzug nach Afghanistan erlaubte.
Darüber hinaus stellte sich noch eine weitere Frage, eine, mit der sich die amerikanische Politik über lange Jahre hinweg herumgeschlagen hatte: Mit welcher Befugnis konnten die Vereinigten Staaten Soldaten zu Kampfeinsätzen in ein Land entsenden, mit dem sie sich nicht im Kriegszustand befanden? Eben diese Frage hatte sich Donald Rumsfeld in den Tagen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 gestellt und dabei voller Neid auf die CIA und ihre Autorität geschielt, überall auf der Welt Krieg führen zu können. Seitdem hatten in Washington Juristen und Politiker Hand in Hand und Stück für Stück die Mauer abgetragen, die zwischen der Arbeit von Soldaten und der von Spionen verlief. In den ersten Jahren nach 9/11 war anstelle der alten Rivalität zwischen Pentagon und der CIA eine Art Détente getreten, und das wiederum hatte einem neuen, als »Sheep-dipping« bezeichneten Arrangement den Weg geebnet: Spezialeinsatzkräfte des Militärs werden zu Kampf- oder Spionageeinsätzen leihweise der CIA unterstellt und damit sozusagen »desinfiziert«.
Nach einer Dekade, in der die USA ihre Art der Kriegführung beständig weiterentwickelt hatten, standen Barack Obama nun, als er über die Bin-Laden-Operation zu entscheiden hatte, mehr Optionen zur Auswahl als irgendeinem US -Präsidenten vor ihm. Ja, es war ein amerikanischer Militäreinsatz in einem offiziell befreundeten Land, ausgeführt von zwei Navy- SEAL -Teams. Aber die Teams kamen vor der Mission ins »Desinfektionsbad«, sprich sie wurden der CIA zur Durchführung verdeckter Auslandsoperationen unterstellt – was durch Title 50 rechtlich abgedeckt war. Die offizielle Verantwortung für die Operation übertrug Präsident Obama CIA -Direktor Leon Panetta.
Von dem Moment an, als die Black-Hawk-Hubschrauber von dem Stützpunkt im afghanischen Dschalalabad abhoben, über die spannungserfüllten Minuten hinweg, in denen die SEAL s die dunkle Treppe zum zweiten Stock des Hauses an der Pathan-Straße hinaufschlichen, bis zu dem Augenblick, als der Hubschrauber mit Bin Ladens Leiche an Bord in Abbottabad in die Luft emporstieg, hielt Panetta die im Situation Room des Weißen Hauses versammelten Politiker und Militärs über den Fortgang der Mission auf dem Laufenden. Mit Panetta, einem liberalen demokratischen Kongressabgeordneten aus Kalifornien, saß in dieser Nacht ein Mann am Kontrollpult der Tötungsmaschine, der nach seiner Ankunft in Langley und schneller, als ihm lieb war, hatte feststellen müssen, dass sein Job von ihm vor allem verlangte, Todesurteile über tatsächliche oder vermeintliche Feinde der Nation vollziehen zu lassen. In dieser Nacht hatte Panetta stets eine Hand in seiner Tasche und spielte an einem Rosenkranz.
Die unerträgliche Anspannung im Situation Room des Weißen Hauses ließ erst etwas nach, als alle Navy SEAL s die Hubschrauber bestiegen und schließlich die Grenze nach Afghanistan überflogen hatten, ohne dass es zu einer Konfrontation mit der pakistanischen Luftwaffe gekommen wäre. Aber sie hatten in Abbottabad einen noch immer brennenden hochgeheimen Tarnkappen-Hubschrauber und mehrere Leichen in dem Anwesen zurückgelassen, in dem sie gerade ihr blutiges Handwerk verrichtet hatten.
Irgendjemand würde den Pakistanern irgendwie beibringen müssen, was sich dort, mitten in ihrem Land, abgespielt hatte.
Die undankbare Aufgabe ging an Admiral Mike Mullen, den Vorsitzenden der Vereinigten Stabschefs, der in der Zeit, als die Vereinigten Staaten und Pakistan von einer Krise in die andere gestürzt waren, als eine Art Problemlöser fungiert hatte. Mullen, Sohn eines Presseagenten aus Hollywood und jemand, der schon früh den Wert persönlicher Beziehungen erkannte, hatte im Laufe endloser Dinners in Kayanis Haus in Islamabad
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