Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Auswirkungen des Drohnenkriegs nach Washington, und auch Admiral Mullen war der Meinung, dass die CIA allem Anschein nach glaubte, einen Krieg im Vakuum zu führen, und sich keinen Deut um die Auswirkungen der Drohnenangriffe auf die amerikanischen Beziehungen zur pakistanischen Regierung scherte.
Die CIA hatte vom Weißen Haus die Erlaubnis erhalten, selbst dann Drohnenangriffe in Pakistan auszuführen, wenn ihre Targeter gar nicht genau wussten, wen sie da zum Abschuss freigaben. Gemäß den Regularien für sogenannte »signature strikes« – Angriffe gegen Personen, die nicht namentlich bekannt sind – konnte die Agency nun allein aufgrund von für verdächtig erachteten Verhaltensmustern den Feuerbefehl für die Drohnen erteilen. Die Latte für tödliche Operationen war einmal mehr gesenkt worden.
Wenn man zum Beispiel eine Gruppe »Männer im waffenfähigen Alter« – sogenannten »military-aged males« – beim Betreten oder Verlassen eines mutmaßlichen Trainingslagers der Militanten beobachtete und der Meinung war, dass sie Waffen bei sich trugen, machte sie das zu legitimen Zielen. Natürlich ist es aus einer Höhe von mehreren hundert Metern über dem Boden, wie amerikanische Beamten einräumen, nicht ganz einfach, das Alter einer Person zu beurteilen, und außerdem konnte die Definition »waffenfähiges Alter« in den pakistanischen Stammesgebieten durchaus auch Jugendliche im Alter von erst fünfzehn oder sechzehn Jahren mit einschließen. Nur dank dieser weit gefassten Definition davon, wer als feindlicher »Kombattant« und damit als legitimes Angriffsziel zu betrachten war, konnte die Regierung Obama behaupten, die Drohnenangriffe in Pakistan hätten bisher kein einziges ziviles Opfer gefordert. Allerdings wirkte die dahinterstehende argumentative Logik sehr gezwungen: In für militante Aktivitäten bekannten Gebieten galten alle Männer im waffenfähigen Alter als feindliche Kämpfer. Damit wurde jeder, der bei einem Drohnenangriff getötet wurde, automatisch als Kombattant kategorisiert, es sei denn, posthum würden sich eindeutige Beweise für seine Unschuld ergeben.
Die diesem Ansatz innewohnenden Risiken wurden am 17. März offenkundig, nur zwei Tage nachdem Raymond Davis mithilfe des »Blutgeld«-Arrangements aus dem Gefängnis herausgeholt und außer Landes geschafft worden war. CIA -Drohnen feuerten Raketen auf eine Stammesversammlung in der nord-wazirischen Ortschaft Datta Khel ab und töteten mehrere Dutzend Männer. Neben US -Botschafter Munter hielt man auch im Pentagon das Timing des Angriffs für verheerend, und etliche Leute in Washington hatten die CIA im Verdacht, sie hätte mit der Operation ihren Frust über die Davis-Affäre abreagieren wollen. In Munters Augen hatte ISI -Chef Pasha sich weit aus dem Fenster gelehnt, um die Sache mit Raymond Davis aus der Welt zu schaffen, und der Angriff von Datta Khel musste Pasha jetzt wie eine direkt gegen ihn gerichtete, bewusste Provokation vorkommen. Schlimmer noch, viele in Washington waren der Meinung, dass die CIA den Angriff vermasselt und mehrere Dutzend unschuldige Menschen getötet hatte.
Andere verteidigten das Vorgehen der CIA und sagten, bei der Stammesversammlung habe es sich in Wahrheit um ein Treffen führender islamistischer Kämpfer und damit um ein legitimes Angriffsziel gehandelt. Wie dem auch sei, in Pakistan löste der Drohnenangriff wütende Proteste aus. General Kayani gab, was nur höchst selten vorkam, eine öffentliche Erklärung heraus, in der er den USA vorwarf, die Operation »ohne jegliche Rücksicht auf das Leben von Zivilisten« durchgeführt zu haben, und auf den Straßen von Lahore, Karatschi und Peschawar kam es zu gewalttätigen Demonstrationen, die eine vorübergehende Schließung der dortigen US -Konsulate erzwangen.
Munter lehnte das Drohnenprogramm per se gar nicht ab, fand aber, dass die CIA dabei allzu rücksichtslos vorging und dadurch seine Position als amerikanischer Botschafter in Pakistan untragbar wurde. Das wegen der Art und Weise, wie der Fall Davis gehandhabt worden war, sowieso schon belastete Verhältnis zwischen Munter und dem Islamabader Stationschef der CIA verschlechterte sich noch weiter, als Munter verlangte, die CIA solle ihn vorab über jeden geplanten Drohnenangriff informieren und ihm die Möglichkeit einräumen, die Operation abzusagen. Bei einem Wortgefecht zwischen den beiden versuchte Munter dem Stationschef klarzumachen, wer hier das Sagen hatte – nur um postwendend
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