Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
üblichen Rendezvous-Stellen mit ihr zu treffen.
Sie sind nicht mehr sicher in Pakistan, warnte sie den Arzt bei dem Treffen. Der ISI hatte bereits zur Jagd auf alle geblasen, die im Verdacht standen, den Amerikanern irgendwie bei der Suche nach Bin Laden geholfen zu haben, und wann seine Tätigkeit für die CIA ans Licht komme, sei, sagte Sue, nur noch eine Frage der Zeit. Sie riet Afridi dringend, in einen Bus zu steigen und sich über die Grenze nach Afghanistan abzusetzen, und gab ihm einen Zettel mit einer Telefonnummer, die er nach seiner Ankunft an der Busstation in Kabul anrufen solle. Dort würde er dann weitere Instruktionen erhalten.
Afridi stieg in keinen Bus. Da die CIA ihm nie anvertraut hatte, dass seine Tätigkeit mit der Jagd auf Bin Laden zusammenhing, wähnte er sich in Sicherheit und rechnete nicht damit, sich in dem von pakistanischen Sicherheitsdiensten nach der Ermordung des Terrorführers ausgeworfenen Schleppnetz zu verfangen. Eine, wie sich zeigen sollte, fatale Fehleinschätzung. Ende Mai 2011 wurde der Arzt und CIA -Informant vom ISI verhaftet und hinter Gitter gesteckt.
Nach Jahren voller Tumulte zwischen der Central Intelligence Agency und dem pakistanischen Direktorat für Inter-Services Intelligence, nach dem Doppelspiel, das beide Seiten betrieben hatten, und nach dem öffentlichen Aufruhr und den gegenseitigen Anschuldigungen, die aufkamen, als ein CIA -Söldner in Lahore zwei Menschen erschossen und damit den Blick auf die neue Front des amerikanischen Geheimkriegs in Pakistan freigegeben hatte, demonstrierte der Fall Shakil Afridi eindrücklich den verheerenden Zustand der Beziehungen zwischen den beiden nominell verbündeten Ländern. Der ISI hatte eine CIA -Schlüsselquelle verhaftet, einen Mann, der eine Rolle bei der Jagd auf den meistgesuchten Terroristen der Welt gespielt hatte, und sie hatte ihn in eine Gefängniszelle in Peschawar geworfen.
Natürlich packt kein Land der Welt die Samthandschuhe aus, wenn es einen seiner Bürger bei der Arbeit für einen ausländischen Geheimdienst ertappt. Aber Afridi wurde, bizarr genug, gar nicht wegen Landesverrat oder Spionage angeklagt, ja, ihm wurde noch nicht einmal der Verstoß gegen ein pakistanisches Gesetz zur Last gelegt. Stattdessen stellte man ihn in Peschawar wegen des Verstoßes gegen die noch aus der Zeit der britischen Kolonialherrschaft stammenden und in den pakistanischen Stammesgebieten bis heute gültigen Frontier Crimes Regulations vor Gericht. Afridi habe sich einer Verschwörung mit dem Ziel angeschlossen, »Krieg gegen den Staat zu führen«, befanden die Richter unter Verweis auf seine Beziehungen zur Lashkar- e-I slam, der von dem Ex-Busfahrer und Drogenbaron Mangal Bagh geführten Terrorgruppe, von der Afridi 2008 gekidnappt worden war. Weil er Kämpfer der Lashkar- e-I slam medizinisch versorgt hatte und wegen seiner, wie das Gericht befand, »Bewunderung für Mangal Bagh«, verurteilten die Richter Afridi zu zweiunddreißig Jahren Gefängnis.
Nach dem Urteilsspruch gab die Lashkar- e-I slam eine öffentliche Erklärung heraus, in der sie jegliche Beziehungen zu einem »derart schamlosen Mann« vehement abstritt.
Afridi sei niemals ein Freund der Gruppe gewesen, hieß es in der Erklärung, allein schon wegen seiner Angewohnheit, seinen Patienten Wucherhonorare abzuknöpfen.
16
F EUER VOM H IMMEL
»Alles steht auf dem Kopf.«
W. George Jameson
An einem Morgen im Spätsommer 2011 , nur Tage bevor er seinen neuen Posten als Direktor der Central Intelligence Agency antrat, stattete General David Petraeus seinem Vorgänger Michael Hayden einen Besuch ab, dem dritten und letzten CIA -Direktor in George W. Bushs Regierungszeit. Die beiden Männer waren in derselben Ära die Rangleiter der Militärhierarchie aufgestiegen, hatten dabei aber gänzlich unterschiedliche Wege eingeschlagen und waren sich nie sonderlich nahe gewesen. Hayden hatte im militärischen Geheimdienst Karriere gemacht und, bevor er das Ruder in Langley übernahm, die ultrageheime National Security Agency geführt. Petraeus dagegen hatte seine Laufbahn in Kampfeinheiten absolviert, die Kriege der USA im Irak und Afghanistan befehligt, das U.S. Central Command geleitet und sich dabei den Ruf erarbeitet, einer der fähigsten Generäle der amerikanischen Geschichte zu sein.
Bei einem Frühstück in Haydens Haus bot dieser seinem Nachfolger an, ihm Ratschläge zu geben, wie Langley tickte und welche Gruppendynamiken dort herrschten. Die
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