Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
standen, mit den Amerikanern oder der pakistanischen Regierung zusammenzuarbeiten. Diebe hängten sie auf den Straßen der Dörfer, Ehebrecher wurden gesteinigt und auf dem Basar von Wana wurden ganz offen grausige DVD s in Urdu verkauft, auf denen Kundschafter der pakistanischen Armee geköpft wurden. Diese Snuff-Filme waren Propaganda und Abschreckung zugleich, eine brutale Botschaft, dass das Militär in den Kasernen bleiben und die Herrschaft den Stämmen überlassen sollte. Baitullah Mehsud zwang die Friseure in Wana, Schilder in ihren Läden aufzustellen, dass das Schneiden von Gesichtshaaren durch die Scharia verboten sei und Bärte deshalb nicht geschert würden. Friseuren, die sich weigerten, wurde der Laden niedergebrannt. Andere Beweise für die Herrschaft der Tehrik- i-T aliban waren prosaischer: Kellers Stützpunkt bekam nur noch alle zwei Wochen Treibstoff, und zwar an dem Tag, an dem Mehsuds Kämpfer Lastwagen der pakistanischen Armee die Benutzung der Straßen erlaubten.
Der Vorposten der CIA war ein Komplex aus Backsteingebäuden innerhalb eines größeren pakistanischen Militärstützpunkts in der Nähe von Wana. Die amerikanischen Gebäude wurden von einer kleinen Einheit pakistanischer Spezialkräfte bewacht, aber Keller fand bald heraus, dass die Soldaten eher Gefängniswächter als Wachtposten waren, denn die CIA -Beamten durften den Stützpunkt nie verlassen. Sie aßen und schliefen in ihren paar Räumen, und sie kommunizierten über sichere Funkverbindungen und Computer mit ihren Vorgesetzten, damit der ISI ihre Übertragungen nicht abhörte. Der kleine Stützpunkt stank nach dem ungeklärten Abwasser von Plumpsklos, und Betten, Teller und Kommunikationsgeräte waren häufig mit den Gipsflocken bedeckt, die von den Decken der Zimmer abblätterten. Gene hatte einmal bei der CIA -Station in Islamabad Geld für einen Squashcourt beantragt mit der Begründung, dies werde vielleicht das Verhältnis der CIA -Beamten zu ihren pakistanischen Kollegen verbessern, weil Squash bei der pakistanischen Armee ein sehr beliebter Sport sei. Der Antrag wurde abgelehnt.
Kellers Beziehung zu seinem Kontaktmann beim ISI waren von Anfang an schlecht, nicht zuletzt wegen eines Streichs, den ihm Gene kurz vor seiner Abreise aus Pakistan gespielt hatte. Bevor dieser mit dem Hubschrauber aus Wana abflog, gab er Keller einen Zettel, auf dem ein Satz in Urdu stand, und sagte ihm, er solle ihn beim ersten Treffen seinem ISI -Kollegen geben. Keller hatte keine Ahnung, was auf dem Zettel stand, und gab ihn pflichtbewusst weiter. Der ISI -Mann, der dem Stamm der Khattak angehörte, war ziemlich angefressen, als er Keller die Notiz übersetzte.
»Trau niemals einem Scheiß-Khattak«, stand auf dem Zettel.
»Gene fand das unglaublich witzig«, sagte Keller. »Vielen Dank, Gene.«
Wegen des wachsenden Misstrauens zwischen Amerikanern und Pakistanern in Wana fand der größten Teil der Nachrichtenbeschaffung, für die Keller in Wana verantwortlich war, ohne Genehmigung des ISI statt. Gene hatte die Namen und Kontaktdaten der pakistanischen Agenten hinterlassen, die die CIA in der Region angeworben hatte – ein Netz, das Keller nun zu führen hatte. Aber für einen weißen amerikanischen Spion in Wana war es ganz schön schwierig, ein Netz von pakistanischen Agenten zu führen, ohne dass der ISI Wind davon bekam. Die Agenten konnten nicht auf den Stützpunkt kommen, weil sie der ISI dort gesehen und festgenommen hätte, aber auch jeder Versuch von Keller, sie außerhalb des Stützpunkts zu treffen, hätte sie gefährdet.
Im Vergleich dazu hatten es die CIA -Beamten, die auf der anderen Seite der Grenze in Afghanistan arbeiteten, sehr viel leichter. Bis 2006 hatte der Geheimdienst in ostafghanischen Städten wie Khost und Asadabad eine ganze Reihe kleiner Stützpunkte aufgebaut. Von dort aus schickte er Agenten nach Pakistan, um in den Stammesgebieten Informationen zu sammeln. Die Amerikaner konnten diese Agenten im Stützpunkt oder in einer benachbarten Stadt treffen. Die CIA schickte sogenannte »Targeting-Analysten« aus Langley auf ihre Artilleriestützpunkte in Afghanistan. Sie sichteten die Informationen der menschlichen Quellen im Hinterland und verknüpften sie mit anderen Informationen wie Satellitenaufnahmen und Abhörergebnissen, um Aufständische in Bajaur und Waziristan zu lokalisieren. Im Jahr 2009 wurde freilich ein Treffen auf einem dieser Stützpunkte, Camp Chapman in Khost, zur Katastrophe. Ein
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