Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
Soldaten und Geheimdienstinformationen unterstützten die äthiopische Offensive im Südsudan und zwangen die Truppen der Union islamischer Gerichte zu einem raschen Rückzug. Doch bei den JSOC -Missionen wurde nicht ein einziger hochrangiger islamistischer Kommandeur oder ein Mitglied der für die Botschaftsanschläge von 1998 verantwortlichen Qaida-Zelle gefangen genommen oder getötet. Und auch über die eng begrenzte Menschenjagd hinaus konnte man den äthiopischen Vorstoß nach Somalia mit Fug und Recht als Desaster bezeichnen.
In dem Glauben, die äthiopischen Truppen könnten die Union islamischer Gerichte aus Mogadischu hinauswerfen und der von den Vereinten Nationen gestützten Übergangsregierung militärischen Schutz gewähren, hatte die Regierung Bush die Invasion insgeheim unterstützt. Die äthiopischen Invasoren hatten das erste Ziel erreicht, aber die Regierung des bitter armen Landes verspürte wenig Lust, seine knappen Mittel für eine dauerhafte militärischen Präsenz in Somalia auszugeben, die ohnehin nur dazu dienen würde, die dortige korrupte Übergangsregierung zu stützen. Binnen weniger Wochen nach Abschluss der Kampfhandlungen verkündeten führende äthiopische Regierungsbeamte, man habe die angestrebten militärischen Ziele erreicht, und begannen offen über einen baldigen Rückzug zu reden.
Der Feldzug der äthiopischen Armee gegen ihren am meisten gehassten Feind wurde ebenso brutal wie rücksichtslos geführt. Die Äthiopier beschossen mit ihren Artilleriegranaten belebte Marktplätze ebenso wie dicht besiedelte Wohngebiete und nahmen dabei den Tod vieler tausend Zivilisten in Kauf. Im Verlauf des Feldzugs brach die Disziplin in den äthiopischen Reihen zusammen, und die Soldaten ließen sich immer wieder zu Plünderungen und Vergewaltigungen hinreißen. Ein von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch interviewter junger Mann erzählte, er habe mit eigenen Augen mit ansehen müssen, wie äthiopische Soldaten zuerst seinen Vater umgebracht und dann seine Mutter und seine Schwestern vergewaltigt hätten.
Der Einmarsch der verhassten äthiopischen Truppen trieb al-Shabaab massenhaft neue Rekruten in die Arme und machte die Organisation nur noch stärker. Die Aufständischen legten Sprengfallen an Straßenrändern und griffen zu anderen Guerillataktiken, die schon die islamistischen Kämpfer im Irak und in Afghanistan mit großem Erfolg eingesetzt hatten. Auf dschihadistischen Seiten im Internet wurde unter Verweis auf Abu Raghal, einen berüchtigten Verräter am islamischen Glauben, der seinerzeit einer christlichen Armee aus Äthiopien den Weg nach Mekka gewiesen hatte, zum Heiligen Krieg gegen die äthiopischen Invasoren in Somalia aufgerufen, und in Scharen strömten ausländische Kämpfer ans Horn von Afrika, viele von ihnen aus Marokko und aus Algerien – aber auch aus dem US -Bundesstaat Minnesota.
Nicht lange nach Ausbruch des Kriegs stiegen zwanzig junge Amerikaner aus dem somalischen Viertel »Little Mogadischu« in Minneapolis ins Flugzeug und machten sich auf den Weg nach Somalia, um am Dschihad gegen die christlichen Invasoren teilzunehmen. Unter ihnen befand sich ein gewisser Shirwa Ahmed, ein Studienabbrecher, der sich für Basketball begeisterte und seine Zeit mit Gelegenheitsjobs und dem Auswendiglernen der Texte von Rap-Songs vertrieb. Der Überfall der Äthiopier auf Somalia versetzte ihn so sehr in Rage, dass er ans Horn von Afrika aufbrach und sich dort al-Shabaab anschloss.
Im Oktober des folgenden Jahres steuerte Shirwa Ahmed in Puntland, einer Region im Norden Somalias, ein mit Sprengstoff vollgepacktes Auto in ein Regierungsgebäude.
Und kürte sich damit zum ersten amerikanischen Selbstmordattentäter überhaupt.
***** 2005 hatte die CIA das Directorate of Operations in National Clandestine Service (NCS) umbenannt und Rodriguez zu dessen Direktor berufen.
****** Ihr voller Name lautet: Harakat al-Shabaab al-Mujahideen – Bewegung der Mudschahedin-Jugend.
9
D ER S TÜTZPUNKT
»In einem wilden Wald von Spiegeln. Wird die Spinne ihr Werk/In der Schwebe lassen? Wird der Wiebel/Zuwarten?«
T. S. Eliot, »Geronti on«
Art Keller lernte schnell, was für CIA -Beamte, die in Pakistan dienten, zur wichtigsten Regel geworden war: Jeden Tag, den du im Land verbringst, weißt du weniger als am Tag zuvor. Wenn deine Dienstzeit zu Ende ist, weißt du gar nichts mehr.
Mitte 2006 , als Kellers Hubschrauber auf dem CIA -Stützpunkt bei Wana im
Weitere Kostenlose Bücher