Killing Business. Der geheime Krieg der CIA (German Edition)
weil sie zu abhängig von Spionagesatelliten und elektronischen Abhörmaßnahmen geworden sei. Clarridge glaubte, dass nervenschwache Anwälte in Langley zu viel Macht hätten und routinemäßig Vorschläge für risikofreudige Nachrichtenbeschaffungseinsätze zum Scheitern bringen würden. Er träumte von einer neuen Art von Geheimdienst, einer kleineren und schlankeren Einrichtung, die keinem fremden Staat verpflichtet wäre , ähnlich dem Office of Strategic Services, aber modernisiert für die Welt des 21. Jahrhunderts – einer Welt, die von Konzernen, von bosen interkontinentalen kriminellen und terroristischen Netzwerken und von multinationalen Institutionen geprägt war.
Private Spionage war keine ganz neue Idee. Der Gründer des OSS , William Donovan, war nach dem Zweiten Weltkrieg so verzweifelt, weil ihn Präsident Truman nicht zum ersten CIA -Direktor ernannt hatte, dass er seinen eigenen Geheimdienst schuf. Auf Geschäftsreisen in Europa sammelte er bei amerikanischen Botschaftern und Journalisten Informationen über sowjetische Aktivitäten und suchte nach möglichen Geheimagenten. Er bombardierte die offiziellen Vertreter der CIA mit Vorschlägen für verdeckte Operationen. Truman jedoch war wütend, als er von Donovans Unternehmen erfuhr, und nannte ihn einen »schnüffelnden Hundesohn«. In den Jahren danach gelang es der CIA in der Regel, ähnliche Versuche privater Spionage zu unterbinden.
Clarridge hatte es sich in der Zeit nach seiner Pensionierung mit den meisten seiner Bekannten in Langley verdorben, war aber mit einem Kreis pensionierter Offiziere der Spezialeinsatzkräfte in Verbindung geblieben, die wiederum Kontakte zu aktiven Kommandosoldaten in Fort Bragg und auf Vorposten in Afghanistan und im Irak hatten. Dass Clarridge die CIA als tollpatschig und amateurhaft kritisierte, machte ihn bei einigen dieser Leute beliebt, und er konnte sich auf einen kleinen Kader pensionierter Kommandosoldaten stützen, als er für Operationen in Afghanistan und Pakistan ein Netzwerk aufbaute.
Er tat sich mit seinem früheren Geschäftspartner Mike Taylor zusammen, einem ehemaligen Green Beret, der in Boston die private Sicherheitsfirma American International Security Corporation betrieb, und sie knüpften ein Netz von Westlern, Afghanen und Pakistanern, die ihrer Ansicht nach in der Region operieren konnten, ohne Verdacht zu erregen. Das Netzwerk wurde erstmals aktiv, als Clarridge den Auftrag bekam, bei der Befreiung von David Rohde zu helfen. Der Reporter der New York Times war in Ostafghanistan von Haqqani-Anhängern entführt und über die pakistanische Grenze in die Stadt Miranshah in Nord-Waziristan verschleppt worden. Während der monatelangen Geiselhaft erzählte Clarridge Mitgliedern von Rohdes Familie, dass seine Agenten in den pakistanischen Stammesgebieten herausfinden könnten, wo der Reporter gefangen gehalten würde. Sie könnten die Information dann entweder für eine Rettungsoperation an das Militär weitergeben oder über seine Freilassung verhandeln.
In einer dunklen Nacht im Juni 2009 kletterten Rohde und sein afghanischer Dolmetscher über die Mauer des Anwesens, wo sie festgehalten wurden, und schafften es, einen Vorposten des pakistanischen Militärs zu erreichen. Clarridges Agenten waren bei der Flucht nicht behilflich gewesen, aber die Details der dramatischen Episode waren so undurchsichtig, dass Clarridge die Gelegenheit nutzte, mit dem Fall Rohde um neue Aufträge zu werben. Die Betreuung privater Entführungsfälle in Afghanistan war freilich kein Geschäftsmodell, das explosives Wachstum versprach, und Clarridge hatte viel höhere Ziele: Wenn er die Regierung dazu bringen konnte, seine Leute zu engagieren, war er wieder als Geheimdienstmann im Spiel.
Die Gelegenheit bot sich schon wenige Wochen nach Rohdes Flucht, als die amerikanischen Soldaten in Afghanistan nach einem weiteren Vermissten suchten: dem jungen Soldaten Bowe Bergdahl aus Idaho. Bergdahl war im Juni 2009 unter mysteriösen Umständen in der afghanischen Provinz Paktika verschwunden. Unterschiedlichen Berichten zufolge war er entweder auf einer Patrouille in Gefangenschaft geraten, oder er hatte sich einfach unerlaubt von der Truppe entfernt. Als er beim Morgenappell nicht auf seinem Stützpunkt war, schickten seine Kommandeure Predator-Drohnen und Spionageflugzeuge los, um die Gegend abzusuchen.
Schon nach wenigen Stunden hörten die Flugzeuge ein Gespräch zwischen Talibankämpfern ab, die über zwei
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