Killing for Love: Thriller (German Edition)
stand auf.
»Daddy!«, rief Hannah aus ihrem Zimmer. »Gutenachtkuss!«
»Geh nur«, sagte Maleah, »ich finde allein hinaus.«
Lorie saß in ihrem halbdunklen Schlafzimmer, in dem das einzige Licht von der verstellbaren Stehlampe hinter ihrem Sessel kam. Erstaunlicherweise empfand sie die Stille als wohltuend. Die Alarmanlage war eingeschaltet, ihre Waffe lag auf dem Nachttisch, und sie war sicher, zumindest vorerst. Zudem war es durchaus möglich, dass sie sich gar nicht in ernster Gefahr befand und die beiden Briefe nicht bedeuteten, dass jemand tatsächlich Ernst machen und versuchen könnte, sie umzubringen.
Eigentlich hatte sie erwartet, von Mike zu hören. Aber vielleicht hatte Maleah ihn noch gar nicht kontaktiert. Es wäre durchaus möglich, dass sie damit bis morgen früh wartete. Allerdings wusste Lorie, dass Mike sie zur Rede stellen würde. Er nahm die Drohungen ganz gewiss nicht ernst. Vielmehr würde er ihr unterstellen, sich alles ausgedacht zu haben, um ihn auf sich aufmerksam zu machen.
Was ein gewaltiger Irrtum war.
Sie hatte fast vier Jahre gebraucht – seit Molly Birkett gestorben war und Lorie gehofft hatte, Mike würde sich bei ihr Trost suchen –, ehe sie begriff, dass er sie wahrhaftig hasste und ihr nie vergeben würde.
Gedankenverloren strich sie über das aufgeschlagene Buch auf ihrem Schoß: das Jahrbuch der Dunmore High in Mikes letztem Jahr. Sie war damals in ihrem zweiten Jahr gewesen, erst sechzehn Jahre alt, und wahnsinnig in Mike verliebt. Sie hatten ihr erstes Date bei seinem Abschlussball gehabt.
Sie schlug das Buch zu und ließ es neben der Chaiselongue auf den Boden fallen.
Ihr kam ein absurder Gedanke, der ihr ein bitteres Lächeln entlockte. Der einzige Mensch, von dem sie wusste, dass er sie gern tot sähe, war Mike. Selbstverständlich würde er sie nicht ermorden, aber ihm wäre nichts lieber, als dass sie von der Erdoberfläche verschwand und er vorgeben könnte, sie hätte nie existiert.
Wenn sie alle Leute durchging, die sie gekannt hatte oder kannte, fiel ihr niemand ein, der sie jemals richtig gehasst hatte, ausgenommen Mike.
Ihre Eltern waren nicht mit ihrem Lebensstil einverstanden und von ihr enttäuscht. Ihr Vater sprach bis heute nicht mit ihr, während ihre Mutter zwar hin und wieder kurze Telefonate mit ihr führte, sich jedoch weigerte, sie zu sehen.
Als sie in Kalifornien eine Filmkarriere anstrebte, hatte sie wenige Freunde gefunden und sich wohl auch ein paar Feinde gemacht, aber keine, die sie ermorden wollten, erst recht nicht nach so vielen Jahren.
Was ist mit Dean?
An Dean Wilson hatte sie schon seit Ewigkeiten nicht mehr gedacht. Das letzte Mal hatte sie ihn an dem Tag gesehen, als sie den Bus nach Hause nach Alabama genommen hatte. Er war ihr zum Busbahnhof gefolgt und hatte sie angefleht, ihn nicht zu verlassen. Da war er vollkommen zugedröhnt gewesen. In gewisser Weise hatte sie Dean geliebt. Er war gutaussehend, aufregend und charmant. Aber am Ende war er ihr Untergang gewesen. Und dafür sollte sie ihm dankbar sein. Hätte er ihr nicht die kleine Rolle in einem seiner Filme gegeben, wäre ihr wohl erst viel später klargeworden, wie weit unten sie angekommen war. Diese letzte Erniedrigung zwang sie, sich die Wahrheit einzugestehen. Sie hatte jämmerlich versagt. Auch wenn sie hübsch, ein kleines bisschen talentiert und ausgesprochen ehrgeizig sein mochte, hatte sie sich in den sechs Jahren in L.A. von der verträumten Schönheitskönigin zur Nebendarstellerin in Pornofilmen gewandelt.
Könnte Dean ihr die Briefe geschickt haben? Das Letzte, was er zu ihr gesagt hatte, war eine offene Drohung gewesen.
»Nur zu, verlass mich, Schlampe! Aber eines Tages, wenn du am wenigsten damit rechnest, komme ich, und dann wird es dir leidtun, dass du jemals geboren wurdest!«
Zu jener Zeit hatte sie dem keinerlei Bedeutung beigemessen, weil er im Drogenrausch war. Doch … was wäre, wenn …
Verdammt, Lorie, wieso soll Dean dir jetzt Todesdrohungen schicken?
3
B arbara Jean empfing den potenziellen Klienten an der Vordertür, stellte sich als Sanders’ Assistentin vor und führte ihn den Flur hinunter zu Griffs Büro. Die Tür stand weit offen. Hinter dem antiken Schreibtisch saß Sanders mit ernster Miene. Sie wusste, dass Sanders ein freundlicher, fürsorglicher Mann war, dass er seinen Tee ohne Zitrone, Sahne oder Zucker trank, dass er es vorzog, auf der rechten Seite des Bettes zu schlafen, einen trockenen Humor besaß und
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