Killing for Love: Thriller (German Edition)
er erleichtert auf, goss sich eine zweite Tasse Kaffee ein und riss sich einen Karamellfrühstücksriegel auf, den er auf den Küchentresen gelegt hatte, nachdem er die Frühstücksschüsseln der Kinder abgeräumt hatte. Im Moment ernährte Lily sie alle vier – sich, ihn und ihre Zwillingstöchter, Jenny und Jessy. Als er kurz vor Weihnachten, vor über drei Monaten, entlassen worden war, hatte er sich arbeitslos gemeldet und die Rolle des Hausmannes übernommen. Er war bei zahlreichen Vorstellungsgesprächen gewesen. Heute stand das zwölfte an. Leider war er nicht für vieles qualifiziert. Sein letzter Job war der eines Hausmeisters in einer örtlichen Fabrik gewesen. Heute bewarb er sich als Einpacker in einem Supermarkt zwei Blocks von ihrer Maisonettewohnung entfernt.
Als er Lily vor drei Jahren kennengelernt hatte, war er kurz davor gewesen, aufzustecken, sich eine Überdosis zu geben oder von der nächsten Brücke zu springen. Sie waren sich bei einem Treffen der Anonymen Alkoholiker begegnet. Eine Frau wie sie hatte er noch nie erlebt, und für ihn war es Liebe auf den ersten Blick gewesen. Sie hatte eine Teenager-Schwangerschaft und einen gewalttätigen Freund überlebt, Eltern, die sie im Stich ließen, und ein Alkoholproblem, das sie beinahe das Sorgerecht für die Mädchen gekostet hatte. Aber sie hatte ihr Leben in den Griff bekommen und ihm geholfen, es ebenfalls zu schaffen.
Seit einem Jahr waren sie verheiratet, lebten in einer anständigen Wohnung, kamen mit einem Gehalt über die Runden und gaben ihr Bestes, um gute Eltern zu sein. Er vergötterte Jenny und Jessy. Wer hätte das nicht? Sie waren siebenjährige Kopien ihrer Mom. Und sie nannten ihn inzwischen Daddy. Ihr leiblicher Vater hatte sich nie um die beiden geschert.
Charlie setzte sich an den kleinen Küchentisch, wickelte den Karamellriegel aus, biss hinein und spülte ihn mit Kaffee hinunter. Als er im Dezember seinen Job verlor, hatte er geglaubt, das wäre das Schlimmste, was ihm passieren könnte. Aber das war ein Irrtum gewesen. Anfang Januar war der erste Brief gekommen. Er hatte ihn als blöden Scherz abgetan und weggeworfen. Im Februar dann hatte ihn der zweite erreicht, unmittelbar vor dem Valentinstag und mit demselben Text wie der erste. Obwohl er ihm unheimlich war, hatte er ihn zerrissen und in den Müll geworfen. Soweit er wusste, hatte er keine Feinde, die ihn so sehr hassten, dass sie seinen Tod wünschten.
Und jetzt, am Samstag, hatte der dritte Brief im Kasten gelegen, wieder Wort für Wort von den ersten beiden abgeschrieben. Inzwischen kannte er den Text auswendig.
Mitternacht naht. Sprich deine Gebete, und bitte um Vergebung! Regle deine Angelegenheiten! Du stehst auf der Liste. Sei vorbereitet! Du weißt nicht, wann du an der Reihe bist. Wirst du der Nächste sein, der stirbt?
Die letzten zwei Tage hatte er überlegt, was er machen sollte. Lily hatte mit ihrem Job als Kellnerin, den beiden Mädchen und ihren Geldsorgen schon genug um die Ohren. Das Letzte, was sie brauchte, war, zu erfahren, dass jemand ihrem Mann Morddrohungen schickte. Er könnte zur Polizei gehen, doch was sollten die schon tun? Gar nichts. Und was konnte er unternehmen? Er hatte keinen Schimmer, wer die Briefe geschrieben hatte. Nicht einmal als er vor ein paar Jahren in der Gosse gelandet war – wortwörtlich –, hatte er jemanden getroffen, der ihn umbringen wollte. Alles, was er machen konnte, war, die Augen offenhalten und keine Risiken eingehen. Und soweit er es beurteilen konnte, waren Lily und die Mädchen sicher. In den Briefen hatte nichts von seiner Frau oder den Kindern gestanden, also hoffte er, dass nur er bedroht wurde. Aber von wem? Und wieso?
Maleah hätte lieber direkt mit Nic gesprochen, aber das war im Augenblick nicht möglich, und sie brauchte die Erlaubnis, Lorie Hammonds’ Fall zu übernehmen, in dem sie ohne die Quellen und Mittel der Powell Agency ohnehin nichts ausrichten könnte. Was bedeutete, dass sie Sanders um sein Okay bitten musste. Als sie morgens auf Griffins Rest anrief, hatte sie Barbara Jean am Apparat gehabt.
»Er ist gerade in einem Gespräch mit einem potenziellen Klienten. Ich sorge dafür, dass er dich baldmöglichst zurückruft.«
Das war vor zweieinhalb Stunden gewesen. Wäre Nic da, hätte sie Maleah nicht so lange warten lassen. Aber Maleah und Sanders waren keine engen Freunde, sondern lediglich Kollegen. Nicht dass sie etwas gegen Sanders hatte – ganz im Gegenteil: Sie mochte
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