Killing time
ebenso verletzt wie Sie, wenn sie einen Keil zwischen Sie und ihn treibt?«
»Nun, ich halte Mary Lee mal zugute, dass ihr das nicht klar war, aber Sie müssten sie schon kennen, um zu verstehen, was in ihr vorgeht. Sie liebt Kevin und ist ihm in vielerlei Hinsicht eine gute Mutter. Aber sie liebt ihn eben nicht so sehr wie sich selbst. Wenn sie vor die Wahl zwischen ihren eigenen und Kevins Bedürfnissen gestellt wäre … Verdammt, was tue ich nur, dass ihr hier über eine Frau herziehe, die mit Brustkrebs kämpft und sterben könnte? Sie müssen mich ja für ein richtiges Schwein halten.«
Ohne nachzudenken, hob Bernie die Hand von Jims Schulter und strich ihm über die Wange. »Ich finde, das ist nur menschlich. Ihre Exfrau hat Sie verletzt und sich zwischen Sie und Ihren Sohn gestellt. Sie sind zu Recht wütend darauf, wie sie Sie behandelt hat.«
»Sie sollten wissen, dass ich Kevin gegenüber niemals etwas Negatives über Mary Lee sage. Das würde ich nie tun.«
»Nein, sicherlich nicht, weil Sie Ihren Sohn lieben.«
Jim räusperte sich. Bernie legte die Hand wieder auf seine Schulter.
»Wissen Sie was, Sheriff Granger? Ich fange an, dem zuzustimmen, was mein Sohn über Sie sagte.«
Ihr Herzschlag beschleunigte sich vor Freude. »Was hat er denn gesagt?«
»Er sagte,
Bernie ist wirklich eine klasse Frau.
Und er hat recht. Sie sind klasse.«
O Gott! Was sollte sie darauf erwidern? Jetzt nur nicht das Falsche sagen und wie ein alberner Teenager reagieren. »Nun, fürs Protokoll: Ich finde Sie und Kevin auch ziemlich klasse.«
Die Band beendete einen romantischen Jazzsong und stimmte den nächsten an. In der kurzen Pause ließ Jim Bernie los. »Sind Sie bereit, das Büfett mit mir zu stürmen?«
Sie legte beide Hände auf ihren Bauch. »Ich bin so was von bereit, dass ich eine ganze Schüssel gekochter Shrimps allein verdrücken könnte.«
Jim umfasste sie mit einem Arm und führte sie von der Tanzfläche. Bernie hatte das Gefühl zu schweben, und ihr ging der Text eines alten Schlagers durch den Kopf. Irgendwas darüber, dass dies
die
Nacht war und er
der
Eine.
Jim hasste große Partys wie diese. Er hasste es, eine Krawatte zu tragen und Konversation zu machen, denn er war eindeutig eher der Typ, der sich in Jeans und bei Bier und Chips mit ein paar guten Freunden entspannte. Und er würde weit lieber im King Kone sitzen und mit Kevin und Bernie Hamburger und Pommes frites essen, als mit hundert, ihm zumeist fremden Leuten um ein Gourmet-Büfett herumzustehen und Champagner zu trinken. Aber heute Abend war ihm gar nichts anderes übriggeblieben, als herzukommen. Schließlich war Bernie nicht nur seine Freundin, sondern auch seine Vorgesetzte. Und Brenda und R. B. Granger gegenüber war er es bei Gott schuldig, hatten sie Kevin doch praktisch als ihren Enkel adoptiert.
Jim betätigte die Spülung, ging zu den Waschbecken und drehte den Wasserhahn auf, um sich die Hände zu waschen. Er war der Musik, dem Gelächter, dem lauten Geplapper und den unzähligen Aufforderungen zum Tanz entkommen, indem er die Herrentoilette im zweiten Stock aufsuchte, die man über die Hintertreppe erreichte. Der ganze zweite Stock war wie ausgestorben, und Jim hatte bei seiner Ankunft lediglich einen anderen Mann gesehen, der gerade aus dem Waschraum kam. Jetzt war er allein hier oben, und irgendwie wünschte er sich, er könnte sich hier verstecken, bis es Zeit zum Gehen war. Nachdem er sich die Hände abgetrocknet hatte, blickte er auf seine Uhr. Zehn vor zehn. Er hatte sich vorgenommen, bis elf zu bleiben und dann Kevin als Ausrede zu benutzen, um beizeiten nach Hause zu fahren.
Nach seinen Tänzen mit Amy Simms, der Frau des Staatsanwalts, und mit Holly Burcham war Bernie nicht mehr zu entdecken gewesen. Als er aus dem Ballsaal ging, um sie zu suchen, hatte er gesehen, wie sie sich mit Reverend Donaldson unterhielt, und sich unwillkürlich gefragt, ob sie den neuen Pfarrer vielleicht interessanter fand als ihre Schwester. Nein, gewiss nicht. Der gute Reverend war ebenso wenig der richtige Mann für Bernie wie Raymond Long.
Jim wollte gerade die Tür öffnen, als sie ihm buchstäblich entgegenflog und ihn beinahe am Kopf traf. Er war drauf und dran, sich über das unwirsche Verhalten desjenigen zu beschweren, der sich mit solcher Rücksichtslosigkeit gebärdete, als er den Eindringling sah und vor Schreck zurückwich.
»Dies ist die Herrentoilette«, sagte er zu Robyn Granger.
Sie grinste von einem Ohr zum
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