Killing time
Minuten lang stand Bernie allein auf der Tanzfläche und sah Raymond Long nach, der direkt auf Renee Michaels zusteuerte, die den ganzen Abend nur mit ihrem Begleiter getanzt hatte, mit Ron Hensley. Bernie hielt den Atem an und betete, dass Renee Raymond nicht abwies. Der arme Kerl brauchte dringend ein wenig Stärkung für sein Ego. Als Renee sich bei ihm einhakte und mit ihm auf die Tanzfläche ging, atmete Bernie erleichtert aus, drehte sich um und ging zum Büfett. Seit dem Frühstück hatte sie nichts mehr gegessen, und jetzt war sie hungrig.
Als sie sich umwandte, stieß sie beinahe mit Jim zusammen, der ihre Schulter packte, damit sie nicht kollidierten.
»Hatten Sie nicht gesagt, Sie wären nicht an Raymond Long interessiert?«, fragte Jim schmunzelnd.
»Haha! Sehr witzig.«
»Ich wollte Sie gerade retten kommen, aber Sie beide schienen mir auf einmal sehr vertraut.«
»Ich habe ihm Tipps gegeben, wie er meine Schwester rumkriegen kann. Der arme Kerl ist so verliebt in sie, dass es einem leidtun kann.«
»Und was haben Sie ihm geraten?«
Sie sah Jim an. »Ich sagte ihm, er soll dasselbe machen wie Sie – sich unnahbar geben.«
Jim runzelte die Stirn und nahm die Hand von Bernies Schulter. »Glauben Sie, dass ich Robyn etwas vorspiele?«
»Tun Sie es denn nicht? Sie sollten wissen, dass sie nur umso hartnäckiger hinter Ihnen her sein wird, je mehr Sie sich sträuben.«
»Hmm … Ich schätze, sie ist noch nicht besonders oft abgewiesen worden.«
»Sagen wir lieber, noch nie.«
»Tja, es gibt für alles ein erstes Mal.« Jim nahm Bernies Hand. »Tanzen wir.«
Sie sah ihn mit großen Augen an. Auf einmal drehte sich alles in ihrem Kopf, und Schmetterlinge flatterten in ihrem Bauch. »Was?«
»Sie haben mir einen Tanz versprochen«, sagte er. »Also wollen Sie jetzt mit mir tanzen oder nicht?«
Ja, ich will mit dir tanzen. Ich will, dass du mich in die Arme nimmst, mich festhältst und mir süße Worte ins Ohr flüsterst, jauchzte ihr Herz. Und wenn du heute Abend von hier weggehst, möchte ich, dass du mit mir gehst und nicht mit meiner kleinen Schwester.
»Nun, eigentlich wollte ich gerade ans Büfett. Mein Magen wird jeden Moment merkwürdige Geräusche von sich geben.«
Jim lachte. »Ein Tanz, dann stürmen wir gemeinsam das Büfett.«
Sie nickte und zögerte nicht, als Jim einen Arm um sie legte und sie in seine Arme zog. Eine geschlagene Minute lang bekam sie keine Luft mehr. Er war so nah, dass sie seinen Duft wahrnahm. Da war ein Hauch von zitronigem Aftershave, minzigem Mundwasser und jenem unterschwelligen, maskulinen Geruch, der Jim Norton so einzigartig auszeichnete wie seine Fingerabdrücke. Sie war sicher, dass sie ihn unter Dutzenden Männern allein an seinem Duft erkennen könnte.
»Wundern Sie sich nicht, wenn Kevin Sie später auch noch zum Tanzen auffordert«, sagte Jim.
»Wie bitte?«
»Mein Sohn ist unsterblich in Sie verliebt. Und er fragte mich, ob es wohl okay wäre, wenn er Sie heute Abend um einen Tanz bittet.«
»Ich fühle mich geschmeichelt.«
»Kevin ist ein kluges Kind. Er erkennt es, wenn jemand aufrichtige Zuneigung für ihn empfindet.«
Ist sein Dad wohl genauso klug wie er?, fragte sie sich.
»Weiß er, wie sehr
Sie
ihn lieben?« Bernie erschrak über sich selbst. »O Gott, Jim, tut mir leid. Das ist mir einfach so rausgerutscht. Ihre Beziehung zu Ihrem Sohn geht mich doch gar nichts an.«
»Ist schon okay. Wir beide sind doch Freunde, oder? Zumindest habe ich das Gefühl. Sie haben in der letzten Woche sehr viel Zeit mit Kevin und mir verbracht, und ich weiß, dass Sie diese Frage nicht aus purer Neugier stellen.«
»Mich würde es freuen, wenn Sie, Kevin und ich Freunde sein könnten. Aber auch Freundschaft gibt mir nicht das Recht …«
Jim hielt Bernie noch fester und zog sie so nah zu sich, dass ihr Busen gegen seine Brust drückte. »Nichts ist mir wichtiger, als ein guter Vater zu sein, aber ich habe mein Leben ziemlich verkorkst. Jetzt habe ich die Chance, eine echte Beziehung zu Kevin aufzubauen, und die will ich mir auf keinen Fall verderben. Ich glaube, er weiß, wie viel er mir bedeutet, aber sicher bin ich mir nicht. Mein Verhältnis zu meiner Exfrau war eher unberechenbar, um es gelinde auszudrücken, und sie benutzte Kevin, um sich an mir zu rächen. Sechs Jahre lang hat sie alles daran gesetzt, meine Beziehung zu ihm zu untergraben.«
»Ich verstehe nicht, warum sie das getan hat. Ist ihr denn nicht klar gewesen, dass sie Kevin
Weitere Kostenlose Bücher