Killing time
wurde. Aber da sie sich Mühe gab, eine treue Ehefrau zu sein, hatte sie alle abgewiesen – alle außer Ron.
Sie las die Nachricht noch einmal und überlegte, von wem sie wohl sein mochte. Auf jeden Fall stammte sie von einem Mann mit Sinn für Romantik. Nachdem sie die Nachricht und den Umschlag in die Tüte zurückgesteckt hatte, nahm sie den anderen Umschlag heraus und riss ihn auf. Als sie ihn auf den Kopf stellte und ihn mehrmals schüttelte, fiel nur ein einzelnes Blatt heraus. Sie fing es auf, bevor es zu Boden flatterte, und erschrak, als sie das Blatt umdrehte und sah, was darauf war. Es war eine Skizze. Eine Federzeichnung von ihr. Ein sehr begabter Künstler hatte sie genau eingefangen, von der leichten Krümmung ihrer Nase bis hin zu ihrem versonnenen, vielsagenden Lächeln. Wer immer das gezeichnet hatte, musste sie kennen, sie beobachtet, ja, regelrecht studiert haben.
Abby spürte einen Anflug von Erregung. Sie war neugierig, wer wohl der Verfasser der Nachricht und vor allem der Schöpfer dieser Zeichnung sein mochte. Ihr weiblicher Instinkt sagte ihr, dass der Mann kein herkömmlicher Bursche vom Land war, womit sich die Zahl der Kandidaten hier in Adams County drastisch reduzierte.
Abby faltete die Zeichnung zusammen, steckte sie in den Umschlag zurück und packte ihn wieder in die Plastiktüte. Dann machte sie ihre Handtasche auf und steckte die Tüte hinein. Zum Glück war ihre Tasche groß genug. Anschließend trank sie noch einen Schluck Cola, bevor sie auf die Wanduhr sah. Zwei Minuten vor halb neun. Amy musste jeden Moment kommen. Abby nahm eine lavendelfarbene Nylonjacke von dem Stapel frisch gewaschener Arbeitsjacken und -hemden, zog sie sich über und knöpfte sie unterhalb ihres Busens zu. Dann nahm sie ihre Cola und ging hinaus in den Salon zu ihrem Arbeitsplatz.
Das Telefon läutete, und Abby zuckte vor Schreck zusammen.
Flipp nicht gleich aus. Es ist nur das Telefon, beruhigte sie sich. Deine Phantasie geht mit dir durch. Nur weil du eine Nachricht und eine Zeichnung bekommen hast, die dir schmeicheln und gleichzeitig Angst machen, musst du nicht gleich nervös werden.
»Kut and Kurl, Abby am Apparat.«
»Hallo, Abby.«
Sie erkannte die Stimme nicht und fand, dass sie merkwürdig klang. »Hallo. Was kann ich für Sie tun?«
»Hast du meine Nachricht bekommen?«, fragte die tiefe, gedämpfte Männerstimme.
Abbys Herz fing an, wie verrückt zu klopfen. »Ja, … und auch die Zeichnung.«
»Gefiel dir die Zeichnung?«
»Ja, sie ist wunderschön. Du bist sehr talentiert.«
»Danke, aber ich hatte auch ein vollkommenes Modell.«
Ein Mann, der es verstand, zur richtigen Zeit das Richtige zu sagen.
»Wer bist du?«, fragte Abby.
»Ich bin dein heimlicher Bewunderer.«
Abby kicherte. »Das dachte ich mir. Aber wieso? Wenn du ein Auge auf mich geworfen hast, solltest du dich zu erkennen geben. Komm heute gegen sechs zum Salon und stell dich vor. Oder kenne ich dich schon?«
»Ich werde dir zur rechten Zeit verraten, wer ich bin. Fürs Erste aber … denk einfach an mich und daran, wonach ich mich sehne – dich zu berühren, dir Liebessonette ins Ohr zu flüstern und dir jeden deiner Träume zu erfüllen.«
Abby stand der Mund weit offen. Sie hatte noch nie erlebt, dass ein Mann so mit ihr sprach – so romantisch und verführerisch. Normalerweise sagten die Kerle irgendwelche schmutzigen Sachen zu ihr, erklärten ihr unmissverständlich, dass sie sie ficken wollten. Aber dieser hier – ihr heimlicher Bewunderer – war gut. Verdammt, er war großartig. Sie würde den ganzen Tag an ihn denken.
»Ich würde gern wissen, wer du bist«, sagte sie.
»Das wirst du, sehr bald, meine wunderschöne Abby.«
Dann hörte sie nur noch den Wählton. Seufzend legte sie den Hörer auf. Als sie träumend dastand und in Gedanken ihrem Phantasieliebhaber nachhing, hörte sie nicht, dass Amy Simms den Salon betrat. Erst als Amy sie rief, fuhr Abby zusammen, als wäre sie von einer Kugel getroffen worden.
»Was ist denn?«, fragte Amy. »Du bist so schreckhaft.«
»Entschuldige. Alles ist bestens. Ich dachte nur gerade an einen ganz besonderen Mann.«
»An Ricky Wayne bestimmt. Du musst ihn schrecklich vermissen. Ich weiß noch, als mein Jerry Dale fort war und in einem schrecklichen Krieg mitkämpfte. Ich war außer mir vor Angst.«
»Hmm … Ich vermisse Ricky Wayne.«
Aber kein Gesetz der Welt schreibt mir vor, mich elend zu fühlen, solange er weg ist. Und wenn ich es
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